Zweiter Artikel. Über den Ausdruck: Die drei Personen sind eines Wesens.
a) Dies scheint nicht gesagt werden zu dürfen. Denn: I.Hilarius sagt: „Die drei Personen sind der Substtanz nach drei, der Vereinigung nach eins.“ „Substanz“ aber ist dasselbe wie „Wesen“. II. Der fragliche Ausdruck wird nie in der Schrift gefunden; und somit darf er nicht gebraucht werken. (Cf. Dionysius I. de div. nom.) III. Die göttliche Natur ist dasselbe wie das Wesen. Also würde es genügen zu sagen, die göttlichen Personen seien einer Natur. . IV. Gebrauch ist es nicht, zu sagen, die Person sei eines gewissen Wesens; sondern vielmehr das Umgekehrte wird gesagt, das Wesen sei einer gewissen Person. Also sollte nicht gesagt werden: die drei Personen eines Wesens. V. Augustin (7. de Trin. 6.) sagt: „Wir sagen nicht, die drei Personen seien aus einem Wesen, damit nicht darunter verstanden werde, in Gott sei etwas Anderes: Wesen und Person.“ Also sollte man aus gleichem Grunde nicht sagen, die drei Personen seien eines Wesens. VI. Der fragliche Satz giebt zu Irrtümern Gelegenheit. Denn Hilarius (de syn. ad can. 27.) sagt: „Wenn eine einige Substanz des Vaters und des Sohnes gepredigt wird, so bezeichnet dies entweder einen Für-sich-bestehenden, der zwei Namen trägt; oder daß durch die Teilung einer Substanz zwei unvollkommene hervorgegangen sind; oder es bezeichnet eine dritte Substanz, welche von Zweien in Anspruch genommen worden ist.“ Also soll man nicht sagen, drei Personen seien eines Wesens. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. contra Maxim. cap. 14.): „Dieser Name ὁμοούσιον, der im Konzil von Nicäa gegen die Arianer seitens der Kirche aufgestellt worden, bezeichnet dasselbe wie: drei Personen seien eines Wesens.“
b) Ich antworte; unsere Vernunft benennt die göttlichen Dingε nicht nach der Existenzweise, welche sie in sich selber haben, denn so kann sie dieselben nicht erkennen; — sondern nach der Existenzweise der geschaffenen Dinge. Und weil in den sichtbaren Dingen, von denen unsere Vernunft ihre Kenntnis erhält, die allgemeine Gattungsnatur ihr Einzelsein durch den Stoff besitzt und so diese Natur sich als bestimmende Wesensform verhält, das Einzelsein aber als Träger derselben; — deshalb bezeichnen wir auch in den göttlichen Dingen das Wesen als die Form der drei Personen. Nun aber sagen wir in den geschaffenen Dingen, eine Form sei desjenigen, dessen Form sie ist; wie z. B. die Gesundheit oder die Schönheit sei dieses oder jenes Menschen. Von der Sache aber, welche eine solche Form oder Eigenschaft besitzt, sagen wir nicht, sie sei dieser Form, außer wenn noch ein bestimmendes Adjektiv zur Form tritt; wie z. B.: Diese Frau ist von einer ausgezeichneten Schönheit; dieser Mann ist von vollkommener Tugend. Schönheit und Tugend allein werden hier nicht in dieser Weise gesetzt; sondern nur wenn ein bestimmendes Adjektiv hinzutritt. Ähnlich nun, weil in Gott trotz der Mehrheit der Personen die einige Wesenheit bleibt, sprechen wir mit diesem bestimmenden Adjektiv von einem Wesen dreier Personen oder wir sagen: Drei Personen seien eines Wesens, so daß hier der Genitiv an Stelle der Form steht.
c) I. „Substanz“ steht bei Hilarius an dieser Stelle für Hypostasis. Der Sinn des genannten Ausdruckes findet sich in der Schrift, die da sagt Joh. 10, 30.: „Ich und der Vater sind eins,“ und 10, 38.: „Ich bin im Vater und der Vater ist in mir;“ und so noch in vielen Stellen. „Natur“ bezeichnet das Princip der Thätigkeit; „Wesen“ ist vom Sein genommen (was nämlich dem „Gewesenen“ zu Grunde gelegen und noch im Dinge ist; was also für vergangene, gegenwärtige und zukünftige Zustände immer im Dinge ein und dasselbe bleibt). Besser also werden zwei Dinge bezeichnet als „einer Natur“, welche in der Thätigkeit übereinkommen; wie z. B. zwei wärmende Dinge. Die aber im Sein eins sind, werden genauer als „eines Wesens“ bezeichnet. IV. Eine Eigenschaft oder Form an und für sich allein wird gewöhnlich nur bezeichnet als desjenigen, dessen Form oder Eigenschaft sie ist; wie z. B. die Tugend des Petrus. Umgekehrt aber wird jener, der die Eigenschaft oder Form besitzt, als „dieser Eigenschaft“ bezeichnet, wenn zu derselben eine weitere Bestimmung tritt. Und dann müssen zwei Genitive stehen; wie z.B. Petrus ist ein Mann großer Tugend; oder ein Genitiv, der zwei vertritt, wie: der Mann des Blutes, anstatt der viel Blut vergossen hat. So wird also, da das Wesen in Gott im Verhältnisse zur Person als Form bezeichnet wird, ganz gut gesagt: das Wesen der Person. Tritt aber zum Ausdruck „Wesen“ noch eine nähere Bestimmung, so wird umgekehrt gesagt: Der Vater ist eine Person göttlichen Wesens, oder: drei Personen sind eines Wesens. V. Dieses Wörtchen „aus“ bezeichnet nicht die Formalursache, sondern vielmehr die wirkende oder die Material- (bestimmbare, nicht innerlich bestimmende) Ursache. Und diese beiden Arten Ursachen sind überall verschieden von den Dingen, deren Ursachen sie sind. Denn nichts bewirkt sich selbst und nichts ist sein eigener Stoff; das Dreieck z. B. ist nicht sein eigenes Holz. Es giebt aber Dinge, die ihre eigenen Wesensformen sind; wie alle unstofflichen, rein geistigen. Da also bei unserem Ausdrucke es sich um die Beziehung der Form handelt, so wird damit gesagt, daß nichts Anderes sei in Gott das Wesen und die Form. Würde aber gesagt, „aus einem Wesen,“ so würde damit das Gegenteil ausgedrückt werden. VI. Hilarius sagt (de synod.): „Den heiligen Dingen wird ein Vorurteil entgegengebracht, wenn man meint, sie sollten nicht sein, weil sie von Manchen schlecht verstanden oder mißbraucht werden. Wenn man schlecht versteht das ὁμοούσιον, was geht das mich an, der es gut versteht.“ Und vorher: „So also sei eine einige Substanz infolge der einen Eigenheit des Gezeugten; es sei dies aber nicht bloß eine Einheit des Verhältnisses oder der Verbindung oder Gemeinschaft.“
