Achter Artikel. Es ist erlaubt, von einem Orden in den anderen überzutreten.
a) Dies ist unerlaubt. Denn: I. Zu Hebr. 10, 25.: „Nicht verlassend unsere Gemeinschaft, wie manche zu thun pflegen,“ bemerkt die Glosse: „Die aus Furcht vor der Verfolgung fortgehen; oder aus Vermessenheit, weil sie sich für gerecht ansetzen, von denen, die sie für Sünder halten, sich entfernen.“ Das aber scheint der Fall zu sein, wenn jemand zu einem vollkommeneren Orden übergeht. II. Der Mönchsstand ist strenger wie der Stand der Regularkanoniker; nach Extra de statu monachor. et can. Regular. cap. Quod timorem Dei. Vom Stande der Regularkanoniker aber darf niemand austreten, um in den Mönchsstand einzutreten, nach Decret. 19 Qq. 3. cap. 2.: „Wir schreiben vor und untersagen, daß jemand, der da Regularkanoniker ist, in den Mönchsstand übertrete, außer wenn er (was fern sei) öffentlich gesündigt hat.“ Also darf man nicht in einen strengeren Orden treten. III. Solange ist jemand verpflichtet, das zu halten, was er gelobt hat, als er es erlaubtcrweise erfüllen kann; wie, wenn jemand das Gelübde der Keuschheit gethan hat, er auch nach eingegangener Ehe vor der fleischlichen Verbindung noch gehalten ist, sein Gelübde zu erfüllen, denn er kann es erfüllen, wenn er in einen Orden tritt. Wer also erlaubterweise von einem Orden in einen anderen übergehen kann, der wird verpflichtet sein, es zu thun, wenn er dies früher, noch in der Welt lebend, gelobt hat.Das aber wäre unzukömmlich und würde Ärgernis erzeugen. Also darf man nicht von einem Orden in einen anderen strengeren übergehen. Auf der anderen Seite heißt es Decret. 20 Qq. 4. cap. 1.: „Gottgeweihten Jungfrauen gestehen wir zu, daß, wenn sie zum Heile ihrer Seele in ein strengeres Kloster übertreten und daselbst bleiben wollen, sie dies thun können.“ Dasselbe aber gilt von den übrigen Orden.
b) Ich antworte; in einen anderen Orden übertreten, ist für gewöhnlich nicht zu raten, denn zuvörderst verursacht dies häufig Ärgernis und dann macht man mehr Fortschritte in einem Orden, an dessen Regeln man gewöhnt ist. Deshalb sagt Abt Nestorius (collat. Patr. 14. cap. 5.): „Für jeden ist es nützlich, daß er gemäß dem einmal gefaßten Vorsatze, mit großem Eifer und Fleiß zur Vollendung des begonnenen Werkes eilt und keineswegs die Regel, die er einmal erwählt, verläßt.“ Und nachher: „Denn unmöglich kann ein und derselbe Mensch in allen Tugenden glänzen; und leicht geschieht es, daß in dem Bestreben, alle gleichmäßig in höchstem Grade zu besitzen, er am Ende keine gewinnt.“ Die verschiedenen Orden nämlich ragen hervor gemäß den verschiedenen Tugendwerken. Es kann jedoch jemand lobenswerterweise von einem Orden in einen anderen übertreten: 1. wegen des Eifers für die Ehre Gottes und somit in einen vollkommeneren Orden, gemäß dem Zwecke des Ordens und auch gemäß den mehr oder minder strengen Übungen; — 2. weil der betreffende Orden im Ordensleben schlaff geworden ist, und da kann jemand auch in einen tiefer stehenden Orden übertreten, wo die Regeln gut beobachtet werden; wie der Abt Johannes sagt (collat. Patr. 19. cap. 4.), er sei vom Einsiedlerleben, also einem an sich vollkommeneren Stande, in das gemeinsame Klosterleben übergegangen, weil das Einsiedlerleben zu sinken und schlaff zu werden anfing; — 3. wegen Schwäche oder Kränklichkeit, wegen deren einer wohl leichtere Regeln ertragen kann, aber nicht die eines strengen Ordens. Im ersten Falle muß die Ordensperson aus Demut um Erlaubnis bitten, die aber nicht verweigert werden kann, wenn nur anerkanntermaßen der andere Orden strenger ist; sonst wird das Urteil dem Oberen überlassen. (Extra de Regular. et transeunt. cap. Licet.) Das Urteil des Oberen ist im zweiten, Dispens im dritten Falle nötig.
c) I. Wer, wie eben auseinandergesetzt worden, in einen anderen Orden übertritt, thut dies nicht aus Vermessenheit, um gerechter zu scheinen; sondern aus Demut und aus dem Verlangen, vollkommener zu werden. II. Die Regularkanoniker und die Mönche haben beide zum Zwecke das beschauliche Leben. Unter dessen Werken nun sind die hervorragendsten jene, die sich bei der Feier der göttlichen Geheimnisse vollziehen; und dazu hat direkte Beziehung der Orden der Regularkanoniker, die ja Kleriker sein müssen. Die Mönche aber sind nicht infolge ihres Standes Kleriker, (Decret. causa, 18 Qq. 1. cap. Nemo potest.) Obgleich also der Mönchsorden strengere Regeln hat, so ist es doch, weil die Mönche an sich Laien sind, erlaubt, vom Mönchsorden zum Orden der Regularkanoniker überzugehen, nach dem Worte des Hieronymus (ep. 4.): „So lebe im Kloster, daß du es verdienst, Kleriker zu sein;“ nicht aber umgekehrt, nach Decret. 16 Qq. 1. (s. oben). Sind aber die Mönche in ihrem Kloster Kleriker und versehen den heiligen Dienst, so haben sie den Vorrang, der die Regularkanoniker auszeichnet und noch dazu die strengeren Regeln; und dann kann ein Regularkanoniker Mönch werden, nach 19 Qq. 3. cap. Statuimus. III. Das feierliche Gelübde, abgelegt in einem geringeren Orden, ist stärker und verbindlicher wie das einfache Gelübde, womit jemand für einen strengeren Orden sich verpflichtet hat. Denn ein einfaches Gelübde macht nicht, daß die nachher eingegangene Ehe ungültig ist; dies macht aber das feierliche Gelübde. Wer also bereits die feierlichen Gelübde in einem geringeren Orden abgelegt hat; der ist nicht mehr an das einfache Gelübde gebunden, das ihn zu einem strengeren Orden hinzog.
