Achter Artikel. Die Einigung des fleischgewordenen Wortes ist nicht das Nämliche wie das Annehmen oder Aufnehnren.
a) Es scheint dies ganz das Gleiche zu sein. Denn: I. Beziehungen und Bewegungen entnehmen ihren Wesenscharakter dem Abschlußpunkte. Der nämliche Abschlußpunkt aber besteht für die Einigung; wie für das Annehmen der menschlichen Natur von seiten des „Wortes“. Also ist Beides das Gleiche. II. Im Geheimnisse der Menschwerdung scheint es das Nämliche zu sein: Annehmend und Einigend, Angenommen und Geeinigt. Einigung und Annehmen aber scheinen zu entsprechen dem Wirken und Empfangen des Einigenden und Geeinigten, des Annehmenden und Angenommenen. Also ist da kein Unterschied. III. Damascenus sagt (3. de orth. fide 11.): „Etwas Anderes ist Einigung; und etwas Anderes Menschwerdung. Denn Einigung besagt bloß Verbindung; und nicht, wozu diese Verbindung gemacht ist; — Menschwerden aber und Fleischannehmen bestimmen, welchen Abschluß die Verbindung hat.“ „Annehmen“ aber für sich allein enthält ebenfalls nicht in sich, wozu oder zu welchem Abschlusse hin die Verbindung gemacht worden. Also ist Einigung und Annehmen dasselbe. Auf der anderen Seite ist die göttliche Natur geeint, aber nicht angenommen.
b) Ich antworte, die Einigung schließe ein in sich eine gewisse Beziehung zwischen der göttlichen und menschlichen Natur, soweit sie Zusammentreffen in einer einigen Person. Jede Beziehung oder Relation aber, welche in der Zeit beginnt, wird von irgend welcher Veränderung verursacht; und diese besteht im Einwirken und Empfangen oder Leiden. So muß demgemäß gesagt werden: Der erste und hauptsächlichste Unterschied zwischen Annehmen oder Aufnehmen und Einigung besteht darin, daß die Einigung eine Beziehung selber einschließt und besagt. Das „Annehmen“ aber besagt das Einwirken oder die Thätigkeit, welcher gemäß jemand bezeichnet wird als annehmender oder zu sich nehmender; während das „Angenommenwerden“ besagt das Leiden oder Empfangen, was diesem Einwirken entspricht. Daraus folgt dann ein zweiter Unterschied. Denn „Annehmen“ wird ausgesagt, um zu bezeichnen, daß das Betreffende noch geschieht oder wird; „Einigung“ aber bezeichnet das Geschehensein. Deshalb wird das Einigende bezeichnet auch als Geeintes, das Annehmende aber nicht als Angenommenes. Denn die menschliche Natur wird ausgedrückt als im Abschlusse des Annehmens seitens der göttlichen Person befindlich dadurch daß ausgesagt wird: Mensch; so daß wir in aller Wahrheit sagen, der Sohn Gottes, der mit Sich vereinigt die menschliche Natur, sei Mensch. Die menschliche Natur jedoch an sich betrachtet, d. h. abgelöst von allen einzelnen Menschen, wird ausgesagt als „angenommen“; wir sagen aber nicht, der Sohn Gottes sei die menschliche Natur. Daraus folgt ebenso der dritte Unterschied. Denn die Beziehung, zumal jene, die sich auf beide Teile gleichermaßen erstreckt, verhält sich nicht in höherem Grade zu dem einen äußersten Punkte wie zum anderen; Einwirken aber und Leiden oder Empfangen verhalten sich verschieden zum handelnden Teile und zum leidenden wie zu verschiedenen Abschlußpunkten. Deshalb bestimmt das Annehmen zugleich den Abschlußpunkt, von dem ausgegangen, und denjenigen, zu welchem man hingelangt; denn „Annehmen“ will sagen: von einem anderen her an sich nehmen. Die Einigung aber bestimmt nichts davon; weshalb unterschiedslos gesagt wird, die menschliche Natur sei geeinigt mit der göttlichen und umgekehrt. Nicht aber gilt dies vom „Annehmen“, daß die göttliche Natur angenommen worden sei von der menschlichen; denn die menschliche Natur ist verbunden worden, hinzugefügt worden zur göttlichen Persönlichkeit, daß nämlich die göttliche Person für sich bestehe oder subsistiere in der menschlichen Natur.
c) I. Einigung und Annehmen verhalten sich nicht in der nämlichen Weise, sondern verschieden zum Abschlusse. II. „Einigend“ und „Annehmend“ fällt nicht ganz und gar zusammen. Denn jede Person, die annimmt, ist einigend; aber nicht umgekehrt. Die Person des Vaters nämlich hat die menschliche Natur geeinigt mit dem Sohne, nicht aber mit Sich. Sie war also einigend, aber nicht annehmend. Dagegen ist die Person des Sohnes einigend und annehmend. Ebenso ist „Geeinigt“ und „Angenommen“ nicht dasselbe. Denn die göttliche Natur war geeint, aber nicht angenommen. III. Das „Annehmen“ bestimmt, mit wem die Verbindung gemacht worden von seiten des „annehmenden“, insoweit „Annehmen“ gleichsam sagen will: „An-sich-nehmen.“ „Menschwerden“ und „Fleischwerden“ aber bestimmt vom „Angenommenen“ aus, nämlich der menschlichen Natur oder dem Fleische. Das „Annehmen“ also ist der vernünftigen Auffassung nach unterschieden sowohl von der Einigung als auch von der Menschwerdung.
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