Neunter Artikel. Die Einigung der beiden Naturen in Christo ist die höchste aller Einigungen.
a) Dem steht entgegen: I. Was erst geeinigt werden muß steht im Charakter des Einen hinter dem zurück, was Eines ist. Denn „geeinigt werden“ will sagen: Einheit durch Teilnahme; „Eins sein“ will sagen: Einheit dem inneren Wesen nach. Im Bereiche des Geschöpflichen aber giebt es Manches, was schlechthin, dem inneren Wesen nach eins ist; wie z. B. die Einheit selber, das Princip der Zahl. Also ist die erwähnte Einigung nicht die höchste von allen. II. Je mehr die geeinten Dinge voneinander entfernt stehen, desto geringer ist die Einigung. Hier aber gilt es die Einheit zwischen der menschlichen und göttlichen Natur, die unendlich weit voneinander entfernt stehen. Also herrscht da die geringste Einigung. III. Durch die Einigung werden zwei Eins. Aus der Verbindung von Leib und Seele in uns aber wird etwas, was Eins ist in der Person und in der Natur. Also ist diese Einigung höher wie die zwischen der menschlichen und göttlichen Natur, wo nur Einheit in der Person sich ergiebt. IV. Auf der anderen Seite sagt Augustin (1. de Trin. 10.): „Der Mensch ist vielmehr im Sohne Gottes wie der Sohn im Vater.“ Der Sohn nun ist im Vater kraft der Einheit der Natur, der Mensch aber im Sohne kraft der Einigung der Menschwerdung. Also höher steht die letztere wie die Einheit des göttlichen Wesens. Und somit steht die Einigung in der Menschwerdung schlechthin am höchsten, auch höher wie die Einheit des göttlichen Wesens.
b) Ich antworte, eine Einigung schließe ein die Verbindung mehrerer in etwas Einem. Es kann also die von der Menschwerdung herrührende Einigung in doppelter Weise betrachtet werden: einmal von seiten dessen, was verbunden wird; dann von seiten dessen, in dem die Verbindung stattfindet. Und von dieser letzten Seite her hat die Einigung der Menschwerdung die hervorragendste Stelle unter allen Einigungen. Denn die Einheit der göttlichen Person, in welcher die zwei Naturen geeinigt werden, steht am höchsten. Nicht aber hat sie solch hervorragende Stelle von seiten dessen, was verbunden wird.
c) I. Die Einheit der göttlichen Person ist größer wie die Zahleinheit, nämlich die Einheit als Princip der Zahl. Denn 1. ist die Einheit der göttlichen Person ungeschaffen und in sich selber fürsichbestehend, in nichts ausgenommen, als ob sie dadurch erst wirkliches Sein hätte; — 2. ist sie in sich vollendet, denn sie schließt Alles ein, was den Charakter der Einheit ausmacht; und deshalb kommt ihr nicht der Charakter des Teiles zu wie der Zahleinheit, die ein Teil der Zahl ist und die nur Sein hat, insofern sie getragen wird von den gezählten Dingen. Mit Rücksicht also auf die Einheit der göttlichen Person überragt die Einheit der Menschwerdung die der Zahl; nicht aber mit Rücksicht auf die menschliche Natur, die da nicht die Einheit der göttlichen Person selber ist, sondern nur mit ihr geeinigt. II. Dieser Einwurf geht aus von dem, was verbunden worden ist; nicht aber von seiten der Person, in welcher die Einigung sich vollzogen. III. Die Einheit der göttlichen Person ist eine größere Einheit wie die Einheit sowohl der Person wie der Natur in uns. Und deshalb ist die Einigung der Menschwerdung größer wie die von Leib und Seele in uns. IV. Der Stelle Augustins ist eine falsche Auslegung unterschoben worden. Denn die Natur des Menschen ist durchaus nicht in höherem Grade im Sohne Gottes wie der Sohn im Vater; sondern bei weitem weniger, da die Einheit der drei göttlichen Personen im einen Wesen die größte ist. Aber mit Rücksicht auf einen Punkt ist der Mensch mehr im Sohne wie der Sohn im Vater; insoweit nämlich ein und derselbe der Fürsichbestehende ist, wenn ich mit Bezug auf Christum sage: Mensch; und wenn ich mit Bezug auf Ihn sage: Sohn Gottes; — nicht aber ist ein und dieselbe Person: der Vater und der Sohn. Und in diesem Sinne nimmt es Augustin.
