Sechster Artikel. Mehrere Personen in Gott konnten zugleich annehmen die menschliche Natur.
a) Dies scheint unmöglich. Denn: I. In diesem Falle bestände ein einziger Mensch oder es wären deren mehrere. Nicht wären deren mehrere; denn wie die eine Natur in Gott nicht zuläßt trotz der drei Personen, in denen sie ist, daß mehrere Götter seien; so würde die eine menschliche Natur in mehreren Personen nicht gestatten, daß mehrere Menschen da wären; — es bestände auch nicht ein Mensch. Denn ein Mensch ist dieser da, was auf eine Person hinweist; und so verschwände der Unterschied der drei göttlichen Personen, was unzukömmlich ist. Nicht also können zwei oder drei Personen eine einige menschliche Natur annehmen. II. Das „Annehmen“ hat seinen Abschlußpunkt in der Einheit einer Person. Es ist aber nicht eine einzige Person die des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Also dasselbe. III. Damascenus (3. de orth. fide 3 et 4.) und Augustin (1. de Trin. 11, 12 et 13.) thuen dar, daß infolge der Menschwerdung des Sohnes Gottes, was auch immer gesagt wird vom Sohne Gottes, dies auch gilt vom Sohne des Menschen und umgekehrt. Wenn also die drei Personen eine einige menschliche Natur annähmen, so würde folgen, daß, was auch immer ausgesagt würde von einer jeden der drei Personen, dies auch von jenem Menschen gälte; und umgekehrt, was man aussagte vonjenem Menschen, dies Geltung hätte von einer jeden der drei Personen. So würde demgemäß was eigen ist dem Vater, nämlich von Ewigkeit den Sohn zu erzeugen, auch von jenem Menschen ausgesagt werden und folgegemäß ebenso vom Sohne Gottes; was Alles unzulässig ist. Also ist die gemachte Voraussetzung eine Unmöglichkeit. Auf der anderen Seite subsistiert oder besteht für sich die fleischgewordene Person in zwei Naturen: in der göttlichen und menschlichen. Die drei Personen aber können subsistieren in der göttlichen Natur. Also können sie auch subsistieren in einer einigen menschlichen Natur; so zwar, daß eine einige menschliche Natur angenommen wäre von den drei Personen.
b) Ich antworte, aus der Verbindung von Leib und Seele in Christo ergebe sich weder eine neue Person noch irgend ein neues Fürsichbestehen; sondern die eine einige menschliche Natur wird angenommen zur Einheit mit der göttlichen Person; was zudem nicht geschieht durch die Macht der menschlichen Natur, sondern durch die Kraft der göttlichen Person. Nun ist die Seinsbeschaffenheit der göttlichen Personen so, daß die eine nicht ausschließt die andere von der Gemeinschaft der einen nämlichen Natur, sondern nur davon, daß zwei Personen eine einzige Person seien. Da nun bei der Menschwerdung „der ganze Grund des Geschehenen ist die Macht des wirkenden,“ nach Augustin (ep. 132. ad Volusian.); deshalb muß man hier mehr urteilen nach der Seinsbeschaffenheit der annehmenden Person wie nach der Seinsbeschaffenheit der angenommenen Natur. So ist es also nicht unmöglich, daß zwei oder drei Personen in Gott annehmen eine einige menschliche Natur. Nur dies freilich wäre unmöglich, daß sie annähmen eine menschliche Person oder ein menschliches Fürsichbestehen. Deshalb sagt auch Anselmus (2. cur Deus homo 9.): „Mehrere Personen können nicht annehmen ein und denselben Menschen zur Einheit in der Person.“
c) I. Im hier vorausgesetzten Falle wäre dies die Wahrheit, daß die drei Personen ein einiger Mensch wären wegen der Einheit der angenommenen menschlichen Natur; wie es ja jetzt wahr ist, daß wegen der Einheit der göttlichen Natur die drei göttlichen Personen ein einiger Gott sind. Und somit würde dieser Ausdruck „ein einiger Mensch“ nicht in sich einschließen eine Einheit in der Person, sondern Hinweisen auf die Einheit in der Natur; denn daraus daß drei Personen ein Mensch sind dürfte man nicht schließen, daß schlechthin ein einiger Mensch dasteht. So sind ja viele Menschen ein Volk; und, wie Augustin sagt (6. de Trin. 3.): „Verschieden ist der Geist Gottes vom Geiste des Menschen; aber wenn der Geist des Menschen Gott anhängt, so wird er ein Geist, nach 1. Kor. 6. Es beständen dann schlechthin mehrere Menschen, aber mit Rücksicht auf die eine einige Natur nur einer. II. In der gemachten Voraussetzung wäre die menschliche Natur nicht angenommen zur Einheit in einer Person, sondern in der Einheit mehrerer Personen. Wie also die göttliche Natur eine natürliche Einheit hat mit mehreren Personen, d. h. mit einer jeden derselben; so hätte die menschliche Natur Einheit mit einer jeden der Personen, die sie angenommen hätte. III. Beim Geheimnisse der Menschwerdung findet eine Gemeinsamkeit und eine Wechselbeziehung der Aussagen statt mit Rücksicht auf die Eigenheiten, die zur Natur gehören. Denn was auch immer der Natur zukommt, das kann ausgesagt werden von der Person, welche fürsichbesteht oder subsistiert in jener Natur, mag der Name dieser Natur sein wie er wolle. So also würde im hier besprochenen Falle von der Person des Vaters ausgesagtwerden, was der göttlichen Natur zukommt und was der menschlichen zukommt; denn in beiden Naturen subsistierte ja der Vater; und dasselbe gilt vom Sohne und vom heiligen Geiste. Was aber der Person des Vaters zukommt auf Grund seines persönlichen Charakters als Vater, das könnte nicht vom Sohne oder vom heiligen Geiste ausgesagt werden; denn der Unterschied der persönlichen Eigenheiten bliebe im genannten Falle. Man könnte also sagen, wie der Vater unerzeugt ist, so sei dies auch der Mensch; soweit dieser Ausdruck „Mensch“ hindeutete auf die Person des Vaters als derjenigen, in welcher die betreffende menschliche Natur subsistiert. Wollte aber jemand weiter sagen: Der Vater ist Mensch und unerzeugt; der Sohn ist Mensch; also ist der Sohn unerzeugt; — so wäre dies ein Trugschluß ähnlich wie dieser: Gott ist unerzeugt, weil der Vater unerzeugt ist; der Sohn ist Gott; also ist der Sohn unerzeugt; es würde dann nämlich das suppositum, wovon ausgesagt wird, unter der Hand geändert.
