Fünfter Artikel. Jede Person in Gott hätte die menschliche Natur annehmen können.
a) Dem steht entgegen: I. „Der Menschensohn“ zu sein, wäre unzukömmlich dem Vater und dem heiligen Geiste. Es müßte dies die drei Personen miteinander vermengen. II. Durch die Menschwerdung sind die Menschen Kinder Gottes geworden, nach Röm. 8.: „Ihr habt nicht erhalten den Geist der Knechtschaft wiederum in der Furcht, sondern den der Kindschaft.“ Die Adoptivkindschaft aber ist eine Ähnlichkeit und Anteilnahme an der natürlichen Kindschaft, welche weder dem Vater noch dem heiligen Geiste zukommt; so daß Röm. 8. es heißt: „Die Er vorausgewußt, die hat Er auch vorausbestimmt, gleichförmig zu werden dem Bilde seines Sohnes.“ Also kann keine andere Person die menschliche Natur annehmen. III. Vom Sohne sagt man, Er sei gesandt und geboren worden der Zeit nach gemäß dem, daß Er Mensch geworden ist. Dem Vater aber kommt es nicht zu, gesandt zu werden (vgl. I. Kap. 32. Art. 3. u. Kap. 43. Art. 4.). Also wenigstens ist es für den Vater nicht zukömmlich, Fleisch anzunehmen. Auf der anderen Seite kann was der Sohn kann auch der Vater und der heilige Geist; sonst wäre die Macht der drei Personen nicht die nämliche. Also konnte auch der Vater und der heilige Geist Fleisch annehmen.
b) Ich antworte, was die Thätigkeit betrifft beim „Annehmen“, so hängt diese von der göttlichen Kraft ab, die allen drei Personen gleicherweise gemeinsam ist. Was den Abschlußpunkt betrifft, so ist der Charakter der Person ebenfalls in allen dreien der gleiche, mögen auch die persönlichen Eigenheiten sich voneinander unterscheiden; denn jede der drei Personen ist eben Person. Somit kann die göttliche Kraft ihren Abschlußpunkt haben gleichmäßig in einer jeden der drei Personen; wie ja im allgemeinen jede vernünftige Kraft, die das Eine, aber auch dessen Gegenteil thun kann, in jedem von diesen beiden den Abschlußpunkt ihrer Thätigkeit haben kann. Somit konnte die göttliche Kraft die menschliche Natur einigen sowohl mitder Person des Vaters, wie mit der des heiligen Geistes ebensogut wie sie dieselbe geeint hat mit der Person des Sohnes. Ebensogut konnte also jede andere Person in Gott Mensch werden.
c) I. Die zeitliche Sohnschaft stellt nicht den Charakter der Person für Christum her, wie dies die ewige thut; sie ist nur eine gewisse Folge der zeitlichen Geburt. Würde also in dieser Weise der Charakter der zeitlichen Sohnschaft auf den Vater oder den heiligen Geist übertragen, so wäre keinerlei Vermengung der Personen die Folge. II. Die Adoptivkindschaft ist eine gewisse mitgeteilte Ähnlichkeit der natürlichen Sohnschaft. Sie wird auf den Vater in appropriierender Weise bezogen, insoweit dieser das Princip der natürlichen Sohnschaft ist; und auf den heiligen Geist, insoweit dieser die Liebe des Vaters und des Sohnes ist, nach Gal. 4.: „Es sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, in welchem wir rufen: Abba, Vater.“ Deshalb also, wie, nachdem der Sohn Mensch geworden, wir die Adoptivkindschaft von Ihm empfingen gemäß der Ähnlichkeit seiner natürlichen Sohnschaft; so würden wir, wenn der Vater Mensch geworden wäre, von Ihm die Adoptivkindschaft empfangen wie vom Princip der natürlichen Sohnschaft, und vom heiligen Geiste, wie vom gemeinsamen Bande zwischen Vater und Sohn. III. Der Vater ist unzeugbar gemäß der ewigen Zeugung; das schließt aber nicht aus eine zeitliche Geburt. Vom Sohne aber sagt man, gemäß der Menschwerdung, Er sei gesandt, weil Er in Ewigkeit von einem anderen ausgeht; ohne dieses Moment würde die einfache zeitliche Geburt nicht dazu genügen, damit man sage, Er sei gesandt.
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