Fünfter Artikel. Nicht vermittelst der Teile ist die menschliche Natur als Ganzes vom göttlichen Worte angenommen worden.
a) Dem wird Folgendes entgegengehalten: I. „Die unsichtbare und unwandelbare Wahrheit hat vermittelst des Geistes die Seele, vermittelst der Seele den Leib und so den ganzen Menschen angenommen,“ sagte oben Augustin. Also vermittelst der Teile hat Christus das Ganze angenommen. II. Den Leib nahm der Sohn Gottes vermittelst der Seele an, weil die Seele Gott ähnlicher ist wie der Leib. Die Teile oder Kräfte aber der menschlichen Natur sind einfacher als diese und somit Gott ähnlicher, der höchst einfach ist. Also nahm Er die menschliche Natur als Ganzes an vermittelst der Teile. III. Das Ganze ergiebt sich aus der Vereinigung der Teile. Die persönliche Einigung aber in Christo ist der Abschluß des „Annehmens“; da die Teile vorausgesetzt werden für das „Annehmen“. Also. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (3. de orth. fide 16.): „Sehen wir nicht im Herrn Jesu Christo die Teile der Teile an; sondern das was unmittelbar miteinander verbunden wird: die Gottheit und Menschheit.“ Die Menschheit aber ist ein Ganzes, dessen Teile sind: Leib und Seele. Also vermittelst des Ganzen hat Christus die Teile angenommen.
b) Ich antworte; wird bei der Menschwerdung von einer Vermittlung gesprochen, so wird darunter nie die Ordnung der Zeit verstanden; denn zugleich ward Alles angenommen. Es ist da nur von der Ordnung der Natur die Rede. Also vermittelst dessen, was früher ist der Natur nach, wird angenommen das, was nachher ist der Natur nach. Nun ist etwas früher der Natur nach: 1. von seiten der einwirkenden Ursache; und 2. von seilen des Stoffes. Von seiten der einwirkenden Ursache ist schlechthin das früher, was früher ist der Absicht nach; nach einer gewissen Seite hin früher aber ist Jenes, wovon die Thätigkeit ihren Anfang nimmt; — und dies deshalb, weil die Absicht früher ist als die Thätigkeit. Von seiten des Stoffes ist früher das, was zuerst kommt im Anderswerden selber des Stoffes. Bei der Menschwerdung nun muß vorzugsweise berücksichtigt werden die Ordnung, welche vom Einwirkenden kommt; denn „aller maßgebende Grund ist da die Macht des Einwirkenden“ (Augustin). Nun ist gemäß der Absicht des Einwirkenden früher das Ganze wie die Teile, nämlich das Vollendete wie das Unfertige. Also hat das „Wort“ die Teile der menschlichen Natur angenommen vermittelst des Ganzen. Wie das „Wort“ nämlich annahm den Leib wegen der Seele, so Leib und Seele wegen der Beziehung, die Beides hat zur menschlichen Natur.
c) I. Aus diesen Worten erhellt nur, daß das Wort die Teile der menschlichen Natur annahm und die menschliche Natur als Ganzes. Danach wäre das „Annehmen“ der Teile auf dem Wege der Thätigkeit früher gemäß der Auffassung und nicht der Zeit nach. Das „Annehmen“ der Natur aber ist früher auf dem Wege der Absicht; was da heißt: früher sein schlechthin, wie eben gesagt. II. Gott ist in der Weise einfach, daß Er auch im höchsten Grade vollkommen ist. Deshalb ist das Ganze als mehr vollendet Gott ähnlicher wie die Teile. III. Die persönliche Einigung ist der Abschluß des „Annehmens“; nicht aber die Einheit der Natur, wie sich solche aus der Verbindung der Teile ergiebt.
