Sechster Artikel. Ohne Schmerz hat Maria geboren.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Wie der Tod gefolgt ist aus der Sünde der Stammeltern, so auch der Schmerz des Weibes beim Gebären, nach Gen. 3, 16. Christus aber hat sich dem Tode unterworfen. Also war auch seine Geburt nicht ohne Schmerzen der Mutter. II. Das Ende entspricht dem Anfange. Das Ende Christi aber war in Schmerzen, nach Isai. 53, 4.: „Unsere Schmerzen hat Er wahrhaft getragen.“ Also war auch in seinem Beginne der Schmerz der Geburt. III. Nach dem liber de Ortu Salvatoris wären Hebammen gekommen, woraus folgt, daß Schmerz und Leiden waren in der seligsten Jungfrau. Auf der anderen Seite spricht Augustin in einer Predigt zu Maria: „Deine Empfängnis litt unter keiner Scham; Deine Geburt war ohne Schmerzen.“
b) Ich antworte, die Schmerzen der gebärenden seien verursacht durch die Öffnung der Zugänge, durch welche die Frucht heraustritt. Maria aber gebar so, daß der Mutterschoß geschlossen blieb. Also war da keinerlei Schmerz, sondern höchste Freude und größter Jubel, daß Gott in die Welt getreten war, nach Isai. 35.: „Sprossend wird sie sprossen wie die Lilie und frohlocken freudig und lobpreisend.“
c) I. Der Schmerz bei der Geburt folgt der geschlechtlichen Verbindung. Deshalb heißt es I. c.: „In Schmerzen wirst Du gebären“ und gleich darauf: „Unter der Macht des Mannes wirst Du sein.“ „Vondiesem Spruche,“ sagt deshalb Augustin (de ass.), „wird die Mutter Gottes ausgenommen, die ohne Sünde und ohne Verbindung mit einem Manne Christum in sich empfing, Ihn ohne Schmerzen gebar und die ohne Verletzung ihrer jungfräulichen Unversehrtheit reine Jungfrau blieb.“ Den Tod nahm Christus freiwillig auf Sich, damit Er für uns genugthue; nicht wegen des Todesurteils im Paradiese. II. Christus hat durch seinen Tod und seine Schmerzen uns von Tod und Schmerzen befreit. Deshalb wollte Er in Schmerzen sterben. Die Schmerzen bei der Geburt aber hätten nicht Ihm zugehört, sondern seiner Mutter. III. Jenes Buch ist gegen Luk. 2., wonach „Maria gebar, das Kind in Windeln einwickelte und in die Krippe legte“; — es ist also offenbar apokryph. Deshalb sagt Hieronymus (cont. Helve. 4.): „Keine Hebamme war da, kein Beistand von Frauen kam dazwischen. Maria war Mutter und Hebamme. Sie nahm das Kind, hüllte es in Windeln und legte es in die Krippe; das schlägt nieder alle Träume der Fälscher.“
