Dritter Artikel. Christo geziemte es, Alles öffentlich zu lehren.
a) Er durfte nicht Alles öffentlich lehren. Denn: I. In der That hat der Herr den Jüngern Manches abseits gesagt, wie dies schon aus der Abendmahlsrede hervorgeht; so daß Matth. 10. Er selbst spricht: „Was ihr mit dem Ohre gehört habt, das prediget auf den Dächern.“ Also hat Er nicht Alles öffentlich gelehrt. II. Die Geheimnisse der Weisheit dürfen nur den vollkommenen mitgeteilt werden, nach 1. Kor. 2. Die Lehre Christi aber enthielt viele tiefe Wahrheiten. III. Dies kommt auf das Gleiche hinaus, die Wahrheit im Stillschweigen zu verbergen oder im Dunkel von Worten. Das Letztere aber that Christus vor dem Volke, nach Matth. 13.: „Ohne Gleichnisse sprach Er nicht zu ihnen.“ Auf der anderen Seite spricht Er selbst (Joh. 18.): „Im Verborgenen habe ich nichts gesprochen.“
b) Ich antworte, eine Lehre könne im Verborgenen sein: 1. Auf Grund der Absicht des lehrenden, sei es daß dieser aus Neid nicht vielen seine Lehre mitteilen will; was bei Christo nicht statthat, nach Sap. 7.: „Ohne Heuchelei habe ich die Weisheit gelernt und ohne Neid teile ich sie mit und verberge nicht ihre Schönheit;“ sei es daß der lehrende Schlechtes lehrt und Unehrbares, wie Augustin sagt (tract. 96 in Joan.): „Es giebt Schlechtigkeiten, die der schamloseste nicht ertragen kann;“ was bei Christo auch nicht statthat, so daß Er Mark. 4. sagt: „Bringt man denn das Licht herbei, damit es unter den Scheffel gestellt werde,“ wohl aber bei den Häretikern, von denen Prov. 9. gilt: „Die geheimen Wasser sind süßer.“ 2. Auf Grund der geringen Zahl der Zuhörer; und so ist Christi Lehre auch nicht im Verborgenen gewesen, weil Er dieselbe entweder den Volksscharen oder allen seinen Jüngern zusammen vorgelegt hat. Deshalb sagt Augustin (tract. 113. in Joan.): „Wer soll sagen, jener spreche im Verborgenen, der vor so vielen Menschen spricht oder, wenn vor wenigen, auch nur das sprach, was vielen bekannt werden sollte!“ 3. Auf Grund der Art und Weise des Vortrages, und so war Christi Lehre im Verborgenen mit Rücksicht auf die Volksscharen. Denn Er gebrauchte, um geistige Wahrheiten zu lehren, Gleichnisse, zu deren innerlichem Verständnisse diese Volksscharen nicht geeignet oder dessen sie nicht wert waren. Und doch war es ihnen besser, unter der Hülle von Gleichnissen die Wahrheit zu hören als gar nicht. Diese Gleichnisse aber eröffnete der Herr vor den Jüngern, auf daß sie durch die Jünger zu den anderen dem inneren Verständnisse nach kämen, nach 2. Tim. 11.: „Was du gehört hast von mir vermittelst vieler Zeugen, das lehre treuen Menschen, die da geeignet sein werden, auch die anderen zu belehren.“ Und das ist ausgedrückt Num. 4., wo vorgeschrieben wird, daß die Söhne Aarons die heiligen Gefäße unter Hüllen tragen, die Leviten aber ohne Hüllen.
c) I. Darauf antwortet Hilarius (cap. 10. sup. Matth.): „Wir lesen nicht, daß der Herr gewohnt gewesen sei, in der Nacht zu lehren; dies aber sagt Er, weil alle seine Rede den fleischlich gesinnten Finsternis ist und sein Wort ist Nacht den ungläubigen. Er will also, daß das, was Er gesagt, in der Freiheit des Glaubens und des Bekennens mitgeteilt werde.“ Hieronymus aber nimmt die Stelle so, daß der Heiland das kleine Judäa mit der ganzen Welt verglichen habe; wonach Judäa gleichsam das Dunkel sei und die ganze Welt der offene Tag. II. Nicht alle Tiefen seiner Wahrheit hat Christus mitgeteilt weder den Volksscharen noch den Aposteln, nach Joh. 16.: „Noch Vieles hätte ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“ Was aber Er für gut hielt, von seiner Weisheit mitzuteilen, das lehrte Er öffentlich, nicht im Verborgenen; mochte Er auch nicht von allen verstanden werden. Deshalb sagt Augustin (tract. 93.): „Man muß dies so verstehen, was der Herrgesagt hat: Offen habe ich gesprochen vor der Welt; als ob Er gesagt hätte: Viele haben mich gehört. Und andererseits war es nicht öffentlich, weil sie nicht verstanden.“ III. In Gleichnissen sprach der Herr vor den Scharen aus dem oben genannten Grunde. Was aber da steht: „Ohne Gleichnisse sprach Er nicht,“ das ist nach Chrysostomus (hom. 48. in Matth.) zu beziehen auf jene Rede; denn sonst sagte Er Vieles ohne Gleichnisse. Augustinus (de Qq. Evgl. 15.) aber erklärt dies dahin, „daß in jeder Rede etwas gleichnisweise gesagt war, wenn auch Anderes darin im eigentlichen Wort-Sinne Geltung hatte.“
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