Zweiter Artikel. Gott kann etwas schaffen.
a) Dagegen spricht: I. Der Grundsatz war allgemein bei den Alten: Aus Nichts wird Nichts. Gottes Macht aber erstreckt sich nicht auf die Verneinung der ersten Grundsätze; wie z. B. daß Er machen könnte, der Teil sei größer als sein Ganzes; daß also sein könnte, was auf Grund der Ausdrücke selber als unmöglich erhellt. Also. II. Wenn „Schaffen“ bedeutet etwas aus Nichts machen, so ist „Geschaffen werden“ nur eine Art Werden. Alles Werden nun ist ein Anderssein. Das Schaffen also ist eine Änderung. Jegliche Änderung aber bedarf eines Trägers oder eines Subjektes, auf dem sie sich vollzieht; wie dies aus der Begriffsbestimmung der Bewegung erhellt, die da nicht Anderes ist wie die Thätigkeit dessen, was in einem Vermögen besteht; die Thätigkeit dessen, nämlich eines Subjektes, was etwas werden kann. Also ist es unmöglich, daß aus Nichts etwas werde; denn zwischen dem Nichts und demSein ist kein gemeinschaftliches, diefe Änderung tragendes Subjekt, was ausPch heraus zu Sein werden könnte. III. Was gemacht worden ist, das war vorher notwendig im Werden begriffen. Es kann aber nicht gesagt werden, daß jenes, was geschaffen wird, zugleich wird und gemacht worden ist; weil in den Dingen, die Bestand haben, das was erst wird noch nicht ist, was aber gemacht worden, bereits ist. Es würde also etwas zugleich sein und nicht sein. Wird also etwas, so geht dieses „Werden“ dem „Geworden sein“ vorher. Das kann aber nicht sein, wenn nicht ein Subjekt existiert, welches Träger des Werdens ist. Also kann aus Nichts niemals etwas werden. IV. Zwischen dem Sein und dem Nichts ist eine endlose Entfernung, welche nicht durchmessen werden kann. Auf der anderen Seite sagt die Glosse wie oben im ersten Artikel.
b) Ich antworte, es sei durchaus notwendig, daß alles von Gott geschaffen sei. Denn wer etwas aus einem vorliegenden Stoffe macht, der setzt in seiner Thätigkeit das, woraus er formt, voraus und bringt dies nicht hervor; wie der Künstler aus Holz und aus Erz formt, welcher Stoff nicht eine Folge seiner Thätigkeit ist, sondern von dieser vorausgesetzt wird; der Stoff wird hier hergestellt durch die vorausgehende Thätigkeit der Natur. Selbst aber auch die Natur verursacht die Dinge der Natur nur mit Rücksicht auf die Wesensform; sie setzt den bildungsfähigen Stoff voraus. Würde also Gott wirken nur unter Voraussetzung, daß etwas da sei, woraus Er forme, so müßte die Folge sein, es existiere etwas, was nicht von Ihm verursacht ist. Gott aber ist, wie gezeigt worden, die Ursache alles Seins; und nichts kann in den Dingen sein, was nicht von Ihm wäre. Also bringt Er notwendigerweise die Dinge aus Nichts hervor.
c) I. Die Alten beachteten nur, wie etwas Besonderes und Beschränktes von einer besonderen Ursache ausgeht und somit für die Thätigkeit dieser Ursachen immer etwas als bestehend vorausgesetzt wird. Danach also war der Grundsatz richtig: Aus Nichts wird Nichts. Hier handelt es sich aber um das erste grundlegende, nichts und keine andere Ursache voraussetzende Hervorgebrachtwerden alles Seins insgesamt, des Seins an sich von seiten der ersten Ursache. II. „Schaffen“ ist nicht „Verändern“ außer etwa nach einer gewissen Auffassung der Vernunft. Denn zur Natur einer Änderung oder des Anderswerden gehört, daß etwas sich nun anders verhalte wie früher. Bisweilen nämlich verhält sich ein Ding anders als vorher bloß nach dem augenblicklichen thatsächlichen Sein oder nach der Lage; wie bei der Bewegung, wo das Bewegliche bald da ist bald dort. Bisweilen aber ist es ein und dasselbe Sein bloß dem Vermögen nach; wie in dem Falle, wenn etwas dem Wesen nach sich anders verhält als vorher, wenn z. B. aus dem Samen die Frucht wird, wo das zu Grunde liegende Vermögen dasselbe bleibt und nun eben dieses „anders jetzt wie vorher“ trägt; also grade von dem Anderssein Subjekt ist. Beim Erschaffen jedoch wird durchaus die ganze Substanz des Dinges hervorgebracht. Also da kann nichts angenommen werden, was an sich immer ein und dasselbe bliebe, nun sich aber anders verhielte wie früher, außer etwa nach der Auffassung der Vernunft; wie wenn aufgefaßt wird, vorher habe ein Ding durchaus nicht bestanden und jetzt bestehe es. Da nun Wirken und Leiden übereinkommen in der einen Substanz der Bewegung, insoweit das eine einige Bewegliche vom Wirkenden die Bewegung empfängt und der aufnehmende, leidende und bestimmbare Träger der Bewegung ist; sonst aber das Wirken vom Leiden gemäß den verschiedenen Beziehungen zum Beweglichen sich unterscheidet; — so bleiben, wenn die Bewegung fortfällt, nur verschiedene Beziehungen zum Sein übrig im Schaffenden und im Geschaffenen. Weil aber die Art und Weise zu bezeichnen der Art und Weise der Auffassung folgt, so bezeichnet man die Erschaffung als eine Veränderung; und gemäßdem wird gesagt, Schaffen sei etwas aus Nichts machen. Trotzdem aber kommen noch die Ausdrücke „Machen“ und „Werden“ mehr dem „Schaffen“ zu wie diese anderen Ausdrücke „Ändern“ und „Geändert werden“; denn „Machen“ und „Werden“ schließt zuerst ein die Beziehung der Ursache zur Wirkung und der Wirkung zur Ursache; und erst je nach dem Subjekte und den Verhältnissen eine wirkliche Änderung. III. Was ohne Bewegung sich vollzieht, darin ist „Werden“ und „Gemacht sein“ ein und dasselbe, wie z. B. bei der Beleuchtung, denn zu gleich wird etwas beleuchtet und ist es auch schon; oder wie das Wort im Herzen dadurch bereits geformt ist, daß es geformt wird und umgekehrt. Wird sonach bei diesen Dingen gesagt, sie werden, so wird damit nur ausgedrückt, sie seien von einem anderen. Da also Schaffen ohne Bewegung ist, wird etwas geschaffen und ist es auch zugleich. IV. Es ist dies eine falsche Einbildung, daß zwischen dem Nichts und dem Sein die Entfernung endlos sei. Und diese falsche Einbildung geht daraus hervor, daß man sich das Nichts und das Sein als zwei Endpunkte vorstellt.
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