Dritter Artikel. Die Leiden Christi haben gewirkt in der Weise des Opfers.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Die Figur muß der Wahrheit entsprechen. Im Alten Testamente aber wurde nie menschliches Fleisch geopfert; vielmehr galten Menschenopfer als unrein und abscheulich, nach Ps. 105.: „Unschuldiges Blut gossen sie aus, das Blut ihrer Söhne und Töchter, welches sie opferten den Götzen Kanaans!“ Also war das Leiden Christi kein Opfer. II. Augustin nennt (10. de civ. Dei 5.) „das sichtbare Opfer ein heiliges Zeichen des unsichtbaren Opfers.“ Christi Leiden aber war kein Zeichen, sondern vielmehr das durch andere Zeichen Ausgedrückte. III. Wer ein Opfer darbringt, thut etwas Heiliges. Die aber Christum töteten, thaten dabei nichts Heiliges. Also war da kein Opfer. Auf der anderen Seite steht Ephes. 5.: „Er gab Sich selbst hin als Opfergabe.“
b) Ich antworte; Opfer werde eigentlich genannt etwas zur Ehre Gottes Gethaenes, um Ihn zu versöhnen. Und deshalb sagt Augustin (l. c.): „Ein wahres Opfer ist jedes Werk, das wir thun, um in heiliger Einigung Gott anzuhängen; so daß es nämlich auf jenes Gut als den Zweck bezogen wird, wodurch wir wahrhaft selig sein können.“ Christus aber hat in seinem Leiden Sich selber dargebracht für uns. Und dies selbst daß Er freiwillig litt, war Gott überaus angenehm, weil es der höchsten Liebe entsprang. Also war offenbar das Leiden Christi ein wahres Opfer. Deshalb fügt Augustin (c. 20.) da hinzu: „Zeichen von diesem wahren Opfer waren die zahlreichen und mannigfachen alten Opfer der heiligen; so daß dieses eine Opfer in vielfacher Weise durch Figuren ausgedrückt wurde, wie man ja mit vielen Worten nicht ein und dieselbe Sache ausdrückte, wenn man diese letztere nicht, ohne Überdruß zu verursachen, empfehlen wollte.“ „Da nun viererlei (4. de Trin. 14.) in jedem Opfer zu erwägen ist: dem geopfert wird; von wem geopfert wird; was geopfert wird; und für wen geopfert wird, so hat uns der eine und selbe wahre Mittler durch sein Friedensopfer so mit Gott versöhnt, daß Er eins blieb mit jenem dem Er opferte, mit Sich eins machte jene für die Er opferte; Er, der der eine selbe war der da opferte und was Er opferte.“
c) I. Die Figur erreicht nie die Wahrheit. Hier also in der Figur war nicht menschliches Fleisch, das geopfert wurde, sondern Fleisch von Tieren, das da bezeichnete das Fleisch Christi als das vollendetste Opfer und zwar höchst zulässigerweise: 1. Weil es menschliches Fleisch ist, wird es geziemenderweise für Menschen dargebracht und von denselben im Sakramente als Speise genommen; — 2. weil das Fleisch Christi leidensfähig und sterblich war, eignete es sich für das Opfern; — 3. weil es ohne Sünde war, hatte es wirksame Kraft, um von Sünden zu reinigen; — 4. weil es das Fleisch dessen selber war, der opferte, war es Gott angenehm auf Grund der unaussprechlichen Liebe des opfernden. Deshalb sagt Augustin (l. c.): „Und was würde zweckgemäßer geopfert für die Menschen wie menschliches Fleisch? Und was wäre mehr dazu geeignet wie sterbliches Fleisch? Was könnte so wirksam reinigen von Sünden wie solches Fleisch, das empfangen ist ohneSünde im reinsten Busen der Jungfrau? Was könnte Gott angenehmer sein, als daß es Ihm aufgeopfert werde, wie das Fleisch unseres Opfers, das da der Leib geworden ist unseres Erlösers?“ II. Augustin spricht da von den figürlichen Opfern. Aber auch das Leiden Christi ist das Zeichen von etwas durch uns zu Beobachtendes, nach 1. Petr. 4.: „Da also Christus im Fleische gelitten hat, so waffnet euch mit dem gleichen Gedanken, weil wer gelitten hat im Fleische, aufhört zu sündigen, daß er schon nicht mehr nach menschlichen Begierden sondern nach dem Willen Gottes den übrigen Teil seines fleischlichen Lebens zubringe.“ III. Von seiten der tötenden war da kein Opfern; sondern von seiten der Liebe Christi, der Sich aufopferte.
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