Vierter Artikel. Das Leiden Christi hat unser Heil gewirkt in der Weise der Erlösung.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Niemand löst los, was immer sein gewesen ist. Die Menschen gehörten aber immer Gott zu, nach Ps. 23.: „Gott gehört die Erde und ihre Fülle; der Erdkreis und die auf ihm wohnen.“ II. Augustin (13. de Trin. 13.) sagt: „Der Teufel war kraft der Gerechtigkeit von Christo zu überwinden.“ Das aber ist Gerechtigkeit, daß, wer durch List und Betrug eine Sache in Besitz genommen hat, dieser beraubt werden muß; denn „List und Trug darf niemandem helfen“, sagen die menschlichen Gesetze. Da nun der Teufel mit List und Betrug den Menschen in Besitz genommen hatte, so durfte der Mensch nicht losgelöst werden. III. Wer kauft oder loskauft, giebt einen Preis dem, der die Sache besaß. Christus aber hat sein Blut als Preis der Erlösung nicht dem Teufel gegeben, dessen gefangene wir waren. Also hat Er uns nicht erlöst. Auf der anderen Seite heißt es 1. Petr. 1.: „Nicht mit vergänglichen Kostbarleiten in Gold oder Silber seid ihr erlöst worden von euerem fleischlichen Leben, wie ein solches euch von den Vätern her überliefert worden, sondern durch das kostbare Blut des unbefleckten und reinsten Lammes Jesus Christus.“ Und Gal. 3.: „Christus hat uns erlöst vom Fluche des Gesetzes, da Er selber Fluch geworden ist für uns.“ Fluch für uns aber ist Christus geworden, weil Er am Holze gelitten hat. Also hat uns Christus am Kreuze erlöst.
b) Ich antworte; durch die Sünde sei der Mensch verpflichtet gewesen: 1. Kraft der Knechtschaft der Sünde; denn „wer Sünde thut, ist Knecht der Sünde“ (Joh. 8. und 2. Petr. 2.): „Von wem jemand besiegt worden, dessen Knecht ist er;“ soweit also der Teufel den Menschen überwunden hatte, indem er ihn zur Sünde anleitete, ward der Mensch ein Knecht des Teufels; — 2. kraft der Strafe, die der Mensch vor Gottes Gerechtigkeit verdient hatte; und auch dies gehört zur Knechtschaft, daß jemand leidet, was er nicht will, da es Sache eines freien Menschen ist, sich seiner selbst zu bedienen soweit er will. Weil also das Leiden Christi eine überreiche Genugthuung war für die Schuld und für die Strafe des Menschengeschlechts; deshalb war esgewissermaßen ein Preis, durch den wir losgelöst worden sind von der beiderseitigen Verpflichtung. Denn die Genugthuung selber, womit jemand für sich oder für einen anderen genugthut, wird wie ein Preis genannt, durch den er sich oder den anderen loslöst von Schuld und Strafe. Daher heißt es Dan. 4.: „Deine Sünden löse los durch Almosen.“ Christus aber gab kein Geld oder Derartiges für uns; sondern Er gab das Kostbarste: Sich selbst.
c) I. Der Mensch gehört Gott an: Durch die Macht, nach Dan. 4.: „Es herrscht Gott über die Menschen; und Er giebt die Herrschaft wem Er will;“ — 2. durch die heilige Liebe, nach Röm. 8.: „Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht Ihm zu.“ In der ersten Weise gehört der Mensch immer Gott zu; in der letzten Weise hört dies auf durch die Sünde. Insoweit also der Mensch von der Sünde befreit ward, hat Christus für ihn genuggethan und ihn erlöst. II. Der Mensch war dem Teufel verpflichtet auf Grund der Schuld; denn freiwillig hatte er sich ihm unterworfen und sich von Gottes Herrschaft entfernt. Gott war der Mensch verpflichtet auf Grund der Strafe wie dem höchsten Richter; dem Teufel aber als dem Quäler oder Henker, nach Matth. 5.: „Damit nicht dein Gegner dich dem Richter übergebe und der Richter dem Henker.“ Obgleich also der Teufel mit Unrecht den Menschen gefangen hielt, soweit es auf ihn, den Teufel, allein ankommt, da er den Menschen betrogen hat, sowohl mit Rücksicht auf die Schuld wie auf die Strafe; so war es doch gerechterweise, daß der Mensch dies (die Knechtschaft) litt, indem Gott es erlaubte mit Rücksicht auf die Schuld und es anordnete mit Rücksicht auf die Strafe. Also nicht mit Rücksicht auf den Teufel, sondern mit Rücksicht auf Gott forderte die Gerechtigkeit einen Lösepreis für den Menschen. III. Der Lösepreis war nicht dem Teufel zu bezahlen, sondern Gott. Und deshalb wird gesagt, Christus habe sein Blut nicht dargebracht dem Teufel, sondern Gott.
