Dritter Artikel. Von den Strafen der Sünde sind die Menschen durch Christi Leiden befreit.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. Die Hauptstrafe der Sünde ist die ewige Verdammnis. Die aber ewig verdammt waren, sind durch das Leiden Christi nicht davon befreit worden; „denn in der Hölle ist keine Erlösung.“ II. Wer von den Strafen befreit ist, dem sind keine aufzulegen; was jedoch geschieht bei denen, die büßen. III. Der Tod ist Strafe für die Sünde, nach Röm. 6, 23. Die Menschen sterben aber auch nach dem Leiden Christi. Also. Auf der anderen Seite heißt es Isai. 53.: „Unsere Krankheiten hat Er wahrhaft getragen und unsere Schmerzen hat Er Sich aufgelegt.“
b) Ich antworte, wir seien durch das Leiden Christi von der verschuldeten Strafe befreit worden: 1. direkt und unmittelbar, insoweit darin überfließende Genugthuung war für die Sünden des ganzen Menschengeschlechts; wird aber genügende Genugthuung geleistet, so ist die verschuldete Strafe naturgemäß abgethan; — 2. indirekt, insoweit das Leiden Christi die Sünden nachläßt, welche die Strafe verdienen.
c) I. Das Leiden Christi hat seine Wirkung in jenen, die es auf sich anwenden durch Liebe und Glauben und durch die Sakramente. Also können die verdammten in der Hölle nicht solche Wirkung in sich aufnehmen; denn sie sind ohne Liebe. II. Damit wir die Wirkung des Leidens Christi in uns aufnehmen, müssen wir Ihm ähnlich werden. Dies geschieht aber in der Taufe, nach Röm. 6.: „Wir sind mit Ihm begraben durch die Taufe gemäß dem Tode.“ Also wird den getauften keine Bußstrafe aufgelegt; denn sie sind ganz frei geworden durch die Genugthuung Christi. Weil aber „Christus nur einmal für unsere Sünden gestorben ist“ (1. Petr. 3.), so kann der Mensch nicht zum zweiten Male ähnlich werden dem Tode Christi durch die Taufe. Also müssen die Menschen, die nach der Taufe sterben, Christo ähnlich werden, indem sie in sich selbst freiwillig etwas leiden und so Strafe oder Buße auf sich nehmen, die jedoch weit geringer ist als die Sünde es verdient, insofern da mitwirkt die Genugthuung Christi. III. Wir als Glieder müssen dem Haupte gleichförmig sein, wenn wir die Wirkung des Leidens Christi in uns aufnehmen wollen. Wie also Christus zuerst die Gnade hatte zusammen mit der Leidensfähigkeit und Sterblichkeit des Körpers und dann zur Herrlichkeit der Unsterblichkeit des Leibes überging; so muß es sich auch mit uns verhalten. Zuerst haben wir die Gnade der Gotteskindschaft zugleich mit der Leidensfähigkeit und Sterblichkeit des Körpers; und dann werden wir teilnehmen an der Herrlichkeit Christi, nach Röm. 8.: „Wenn Kinder, so auch Erben, Erben aber Gottes und Miterben Christi; wenn wir jedoch mit Ihm leiden, damit wir mit Ihm verherrlicht werden.“
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