Dritter Artikel. Im Tode Christi ward die Gottheit nicht von der Seele getrennt.
a) Das Gegenteil erhellt aus Folgendem: I. Joh. 10. heißt es: „Ich habe die Gewalt, meine Seele einzusetzen oder dahinzugehen; und sie wieder an mich zu nehmen.“ Diese Gewalt aber kann nicht so ausgesagt werden, als ob sie der Körper in Christo hätte. Also gilt dies von der Person des Wortes, die sonach sich von der Seele trennen und selbe wieder an sich nehmen kann. Somit war im Tode die Seele Christi nicht mit der Gottheit. II. Athanasius schreibt (lib. 6. de beat. Verbi): „Verflucht sei, wer nicht bekennt, der Sohn Gottes habe den ganzen Menschen, den Er angenommen, von neuem angenommen und befreit, als Er am dritten Tage von den toten auferstand.“ Also war die Gottheit vor der Auferstehung getrennt vom Leibe und von der Seele, woraus ja „der ganze Mensch“ besteht. III. Wegen der Vereinigung mit dem ganzen Menschen wird der Sohn Gottes „Mensch“ genannt. Blieb also das „Wort“ mit der Seele, die getrennt war vom Leibe, verbunden, so könnte man wahrhaft sagen, der Sohn Gottes sei in dieser Zeit die Seele gewesen. Da also die Seele die Wesensform des Körpers ist, so würde weiterfolgen, der Sohn Gottes sei in jener Zeit, vom Tode Christi bis zur Auferstehung, die Wesensform eines Körpers gewesen; was unmöglich ist. Also war damals die Gottheit getrennt von der Seele Christi. IV. Wäre der Sohn Gottes persönlich verbunden geblieben damals mit dem Leibe und mit der Seele, so wäre innerhalb dieser Zeit der Sohn Gottes zwei Fürsichbestehende gewesen; was unzulässig ist. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (3. de orth. fide 27.): „Obgleich Christus als Mensch gestorben ist und seine heilige Seele vom fleckenlosen Leibe getrennt war, so blieb doch die Gottheit untrennbar bei Leib und Seele.“
b) Ich antworte, die Seele sei unmittelbarer vereint mit dem „Worte“ wie der Leib. Blieb also der Leib Christi verbunden mit dem „Worte“, dann desto mehr die Seele. Deshalb wird im Symbolum vom Sohne Gottes sowohl ausgesagt: „Er ward begraben,“ wie auch: „Er stieg in die Hölle hinab.“
c) I. Augustin erklärt diese Stelle (tract. 47. in Joan.) dahin: „Sagen wir, das Wort hätte die Seele eingesetzt, so folgt, daß die Seele einmal getrennt war vom Worte, was falsch ist; denn die Seele ist vom Leibe getrennt worden, nicht aber vom Worte; — sagen wir, die Seele habe sich selber eingesetzt, so würde folgen, sie habe von sich selbst sich getrennt, was absurd ist; — also hat das Fleisch seine Seele eingesetzt; nicht aber aus eigener Gewalt, sondern kraft des in ihm wohnenden„Wortes“; ist ja doch durch den Tod die Gottheit nicht getrennt worden vom Fleische. II. Athanasius will damit sagen, daß in der Auferstehung die Natur des Menschen wieder von neuem ganz und gar, vollständig da gewesen ist; nämlich vollständig durch die Verbindung von Leib und Seele. III. Das Wort Gottes heißt wegen der Verbindung mit der menschlichen Natur nicht: menschliche Natur; sondern wird „Mensch“ genannt. Die Seele und der Leib aber sind die wesentlichen Teile der menschlichen Natur. Also auf Grund der Verbindung mit beiden ist das ewige Wort nicht der Leib und nicht die Seele, sondern ist: „habend Leib und Seele.“ IV. Damascenus antwortet (l. c.): „Dadurch daß im Tode Christi die Seele vom Leibe getrennt ward, ist nicht die eine Person oder das eine Fürsichbestehende in zwei geteilt worden. Denn sowohl der Leib als auch die Seele hatten von Anfang an unter ein und demselben Gesichtspunkte die einige Existenz in der Person des Wortes; und als sie im Tode getrennt wurden, blieb ein jedes von beiden habend das eine einige Fürsichbestehen im Worte. Deshalb blieb das eine einige Fürsichbestehen des Wortes das Fürsichbestehen 1. des Wortes, 2. der Seele, 3. des Leibes. Denn niemals hatte weder die Seele noch der Leib ein eigenes Fürsichbestehen, außer nämlich dem im Worte; immer eine einige Person des Wortes und niemals zwei.“
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