Zweiter Artikel. Im Tode Christi ward die Gottheit nicht getrennt vom Fleische.
a) Dies scheint aber. Denn: I. Zu Matth. 27. (Deus meus, Deus meus) sagt Ambrosius (sup. Luc. 23.): „Es rief laut der Mensch, sterbend durch die Trennung der Gottheit; denn da die Gottheit frei ist vom Tode, konnte da der Tod nicht sein, wenn das Leben nicht fortging; weil das Leben die Gottheit ist.“ II. Wird das Mittlere fortgenommen, so werden die Endpunkte voneinander getrennt. Die Gottheit nun war in Christo geeint mit dem Fleische vermittelst der Seele (Kap. 6, Art. 1.). Schwand also die Seele, so war die Gottheit nicht mehr im Körper Christi. III. Stärker ist die belebende Kraft Gottes wie die der Seele. Der Körper des Herrn aber konnte nicht sterben, wenn die Seele nicht davon getrennt wurde. Also noch weniger konnte er sterben, wenn die Gottheit damit vereint blieb. Auf der anderen Seite wird das, was der menschlichen Natur eigen ist, nicht vom Sohne Gottes ausgesagt, außer auf Grund der Einigung mit der Person des ewigen Wortes. Es wird aber im Symbolum vom Sohne Gottes ausgesagt, Er sei begraben worden. Also blieb die Gottheit in der Person geeinigt mit dem Fleische.
b) Ich antworte, was Gott aus Gnaden schenkt, werde nie zurückgezogen außer wegen einer Schuld; nach Röm. 11.: „Ohne Reue sind die Gaben Gottes und das Berufen.“ Weit höher aber steht die Gnade der Einigung, wonach das Fleisch zur persönlichen Verbindung mit dem ewigen Worte erhoben wurde; wie die heiligmachende Gnade, welche die Gotteskindschaft herstellt. Und ebenso hat die Gnade der Einigung in höherem Grade den Charakter der Dauer wie die heiligmachende Gnade; denn sie bewirkt eine Verbindung in der Person, während die letztere bloß eine Verbindung gemäß der Willensneigung herstellt. Wird also die heiligmachende Gnade nicht ohne eine Sündenschuld entzogen, so noch weniger die Gnade der Einigung. Da nun in Christo keine solche Schuld war, so blieb das Fürsichbestehen (das suppositum oder die hypostasis) des Fleisches durchaus das des göttlichen Wortes, nach dem Tode wie vor dem Tode (Dam. 3. de orth. fide 27.).
c) I. Dieses Verlassensein ist darauf zu beziehen, daß der Vater Ihn dem Leiden und dem Tode aussetzte. Oder es ist zu verstehen mit Bezug auf das Gebet: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe vorüber dieser Kelch“ (Aug. ep. 140.). II. Das Wort Gottes ist vermittelst der Seele mit dem Fleische in Christo verbunden; insoweit auf Grund der Seele das Fleisch es in sich hat, zur menschlichen Natur zu gehören, welche der Sohn Gottes annehmen wollte. Nicht aber ist die Seele wie ein Band, welches das Fleisch Christi an die Gottheit knüpfte. Das Fleisch nun hat es von der Seele, daß es zur menschlichen Natur gehört, auch nach dem Tode; insoweit nämlich im Fleische bestehen bleibt eine gewisse Beziehung zur Auferstehung. Also wird durch den Tod die Einigung des Fleisches mit der Gottheit nicht gestört. III. Die Seele hat die Kraft, den Körper zu beleben alsinnewohnende Wesensform, formaliter; schwindet sie also, so ist der Körper nicht mehr lebend. Die Gottheit aber ist die wirkende Ursache des Lebens; sie ist nicht die Wesensform. Also braucht das Fleisch nicht lebend zu sein und bleibt doch verbunden mit der Person des Wortes; denn Gott wirlt nicht aus Notwendigkeit, sondern wie und was Er will.
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