Zweiter Artikel. Vor der Sünde waren dem Menschen keine Sakramente notwendig.
a) Dem wird Folgendes entgegengestellt: I. Die Sakramente sind notwendig, um Gnade zu erlangen. Dieser letzteren aber bedurfte der Mensch auch im Stande der Unschuld. II. Gemäß der Beschaffenheit der menschlichen Natur sind die Sakramente dem Menschen notwendig. Diese aber ist dieselbe geblieben nach wie vor der Sünde. III. Die Ehe ist ein Sakrament, nach Ephes. 5. Sie ist aber vor der Sünde eingesetzt (Gen. 2.). Auf der anderen Seite ist das Heilmittel oder die Medizin nur dem kranken notwendig, nach Matth. 9.: „Nicht die gesunden bedürfen des Arztes.“ Die Sakramente aber sind geistige Heilmittel gegen die Sünde. Also erst nach der Sünde wurden sie notwendig.
b) Ich antworte; im Stande der Unschuld waren keine Sakramente. Denn auf Grund der Geradheit und Unversehrtheit dieses Standes war der Geist Gott unterworfen und dem Geiste die niederen Kräfte, der Seele aber gehorchte der Leib. Gegen diese Ordnung nun wäre es gewesen, wenn die Seele, sei es mit Rücksicht auf das Wissen sei es mit Rücksicht auf die Gnade, durch Körperliches ihre Vollendung erhalten hätte. Und danach waren im Paradiese keine Sakramente: weder als Heilmittel gegen die Sünde noch als Mittel zur Zweckvollendung der Seele.
c) I. Der Gnade bedurfte der Mensch im Stande der Unschuld; aber nicht bedurfte er zu deren Erreichung der Sakramente. II. Die nämliche Natur ist nach der Sünde in einem anderen Zustande wie vorher. Denn nach der Sünde bedarf sie, auch mit Rücksicht auf den höheren Teil, zu ihrer Vollendung dies, daß sie etwas empfange vom Körperlichen her; was vor der Sünde nicht statthatte. III. Die Ehe bestand im Paradiese nicht als Sakrament, sondern als natürliches Mittel für die Fortpflanzung. Infolgedessen aber bezeichnete sie etwas Zukünftiges mit Rücksicht auf die Kirche und Christum, wie auch alles Andere, was als Figur Christo vorherging.
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