Erster Artikel. Die Sakramente sind für das menschliche Heil notwendig.
a) Dies ist nicht so. Denn: . I. Nach 1. Tim. 4. „ist die Übung mit Hilfe des Körperlichen wenig nützlich.“ Dazu aber gehören die Sakramente. II. Nach 2. Kor. 12. wird dem Apostel gesagt: „Es genüge dir meine Gnade.“ Also sind die Sakramente überflüssig. III. Das Leiden Christi wird als die hinreichende Ursache unseres Heiles bezeichnet. Da also die hinreichende Ursache da ist, so folgt die entsprechende Wirkung, nach Röm. 5.: „Da, als wir Feinde waren, wir versöhnt worden sind mit Gott durch den Tod seines Sohnes, so werden wir um so mehr versöhnt sein in seinem Leben.“ Also besteht keine Notwendigkeit für die Sakramente. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (19. cont. Faustum 11.): „Unter dem Namen keiner Religion, sei es der wahren sei es einer falschen, können die Menschen vereinigt werden, wenn man sie nicht durch äußere Merkmale oder durch die Verknüpfung sichtbarer Sakramente verbindet.“ Notwendig aber ist es, daß die Menschen um ihres Heiles willen vereinigt werden unter dem einigen Namen der wahren Religion. Also sind die Sakramente notwendig für das Heil.
b) Ich antworte, die Sakramente seien aus drei Gründen notwendig: 1. Auf Grund der Beschaffenheit der menschlichen Natur, welcher es eigen ist, durch Körperliches und sinnlich Wahrnehmbares zu Geistigem zu gelangen. Gott aber leitet jedes Wesen in einer dessen Beschaffenheit angemessenen Weise; und so hat seine Weisheit dem Menschen Hilfe gebracht für sein Heil unter gewissen äußerlich wahrnehmbaren, körperlichen Zeichen, welche man Sakramente nennt. 2. Auf Grund des Zustandes der Menschen, die durch die Sünde sich aus eigener Neigung körperlichen Dingen unterworfen hatten. Und so hat Gott gemäß der Krankheit das Heilmittel bereitet. Hätte Er dem Menschen nackt und offen Geistiges geboten, so würde dessen Geist sich nicht dem zugewendet haben, weil er hingegeben war dem Körperlichen. 3. Auf Grund der gewöhnlichen menschlichen Thätigkeit, die vorzugsweise mit Körperlichem sich beschäftigt. Damit es also dem Menschen nicht zu hart wäre, wenn er vom Körperlichen ganz abgezogen würde, sind ihm in den Sakramenten Übungen mit Hilfe des Körperlichen vorgelegt, wodurch er heilsam abgewandt wird von abergläubigen Übungen, die dem Dämon gelten oder überhaupt von allem irgendwie Schädlichem, was in sündiger Thätigkeit besteht. So wird der Mensch durch die Sakramente in einer seiner Natur angemessenen Weise vermittelst des Sinnlichen belehrt; er wird gedemütigt, weil ihm, der sich Körperlichemunterworfen, nun durch Körperliches Beistand geleistet wird; er wird vor verderblichen Beschäftigungen bewahrt durch heilsame Übungen mit Hilfe des Körperlichen.
c) I. Die sakramentalen Übungen sind nicht rein körperlich; sondern bewirken und bezeichnen Geistiges. II. Die Gnade wird eben dem Menschen verliehen in der seiner Natur angemessenen Weise. Und deshalb sind zur Erreichung der Gnade den Menschen die Sakramente notwendig. III. Das Leiden Christi wird als hinreichende Ursache für das Heil des Menschen auf diesen angewandt und ihm zugänglich gemacht eben durch die Sakramente, die da wirken kraft des Leidens Christi, nach Röm. 6.: „Die wir getauft sind in Christo Jesu, wir sind in seinem Tode getauft.“
