Dritter Artikel. Vor Christo nach der Sünde mußten Sakramente bestehen.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Durch die Sakramente wirkt und wird angewandt das Leiden Christi auf die Menschen. Die Wirkung aber geht nicht der Ursache vorher. II. Der Stand der menschlichen Natur ward nicht geändert seit der Sünde bis zur Erlösung durch Christum. Die Sakramente aber sollen dem Stande der Natur angemessen sein. Also durften nicht andere bestehen unter dem Naturgesetze und andere von Moses hinzugefügt werden. III. Die Sakramente im Gesetze Mosis mußten, weil ihnen näher stehend, ähnlicher sein den Sakramenten des Neuen Bundes wie die Sakramente vor dem Gesetze. Christus aber wird genannt Priester nach der Ordnung des Melchisedech, der da vor dem Gesetze war; und nicht nach der Ordnung des Aaron. Also waren die Sakramente vor Christo nicht zukömmlicherweise eingerichtet. Auf der anderen Seite sagt Augustin (19. cont. Faustum 13.): „Die ersten Sakramente, welche das Gesetz hochhielt und beobachtete, waren Vorzeichen des kommenden Christus.“ Notwendig aber war es für das menschliche Heil, daß die Ankunft Christi vorherverkündet werde; also waren einige Sakramente vor Christo notwendig.
b) Ich antworte, die Sakramente seien in der Weise für das menschliche Heil notwendig, daß sie sind sichtbare Zeichen unsichtbarer Dinge, durch welche der Mensch geheiligt wird. Niemand aber wird geheiligt außer durch Christum, „welchen Gott vorgestellt als den Sühner durch den Glauben in seinem Blute zur Offenbarmachung seiner Gerechtigkeit … daß Er selber gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben Jesu Christi“ (Röm. 3.). Also mußten vor der Ankunft Christi einige sichtbare Zeichen bestehen, vermittelst deren der Mensch seinen Glauben bekannte an die Ankunft des Erlösers Jesus Christus. Dergleichen Zeichen aber heißen Sakramente. Und somit mußten vor der Ankunft Christi Sakramente sein.
c) I. Das Leiden Christi ist die Zweckursache der alten Sakramente, die eingesetzt sind, um dasselbe zu bezeichnen. Die Zweckursache aber geht nicht der Zeit nach, sondern nur in der Absicht des handelnden dem Zweckdienlichen vorher. II. Was den Glauben betrifft, so war der Stand unter dem Naturgesetze ganz der nämliche wie unter dem Gesetze Mosis; denn gleichmäßig wurden die Menschen stets gerechtfertigt durch den Glauben an die Ankunft des zukünftigen Christus. Jedoch fing die Sünde im Verlaufe der Zeit immer mehr an, die Kenntnis von den Geboten des Naturgesetzes und von der Richtschnur eines guten Lebens zu verdunkeln. Und so „mußte wachsen,“ nach Gregor (hom. 16. in Ezech.), „die ausdrückliche Erläuterung der Kenntnis des Glaubens.“ Demnach wurden auch die Hinweise auf den kommenden Heiland in den Sakramenten deutlicher und bestimmter im Gesetze Mosis wie im Naturgesetze, so daß während der Herrschaft des letzteren dem Menschen die Sakramente nicht im einzelnen bestimmt wurden, was unter dem Gesetze Mosis wegen der Verdunklung des Naturgesetzes und damit ausdrücklicher auf den Glauben hingezeigt würde, notwendig war. III. Das Sakrament des Melchisedech ist dem Sakramente des Neuen Bundes ähnlicher mit Rücksicht auf die Materie, den Stoff; denn „Brot und Wein brachte er dar.“ Die Sakramente im Gesetze Mosis sind mehr ähnlich mit Rücksicht auf das durch das Sakrament Bezeichnete; nämlich mit Rücksicht auf das Leiden Christi, wie z. B. dies beim Osterlamme der Fall war und bei ähnlichen Opfern. Und dieser Unterschied war deshalb, damit nicht, wenn ein und dieselbe blieb die äußere Form und Gestalt des Sakraments, das im Neuen Bunde nur als eine Fortsetzung der Zeit nach erschiene des Sakramentes im Alten Bunde.
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