Vierter Artikel. In den Sakramenten ist eine die Gnade verursachende Kraft.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Die Kraft, welche eine Ursache für die Gnade sein soll, muß jedenfalls eine geistige sein. Im Körper aber kann keine geistige Kraft sein: weder als etwas demselben Eigenes, weil ja jede Kraft in einem Dinge von dessen Wesen ausfließt und somit dieses nicht überragen kann; noch als etwas von einem anderen Empfangenes, weil das so Empfangene gemäß der Seinsweise des empfangenden aufgenommen wird. II. Alles, was Sein hat, läßt sich zurückführen auf eine bestimmte Seinsart und auf einen bestimmten Grad des Guten. Es giebt aber keine Seinsart, auf welche eine solche Kraft, wie sie in den Sakramenten sich finden soll, zurückgeführt werden kann, wie klar ist, wenn man die einzelnen Seinsarten durchgeht. Auch läßt sich eine solche Kraft auf keinen Grad des Guten zurückführen; nicht nämlich auf die kleinsten Güter, da die Sakramente für das Heil notwendig sind; nicht auf die mittleren Güter, wie dies die Vermögen der Seele sind, da diese zu den natürlichen Gütern gehören; nicht endlich auf die höchsten Güter, wie die Gnade und Tugend. Also giebt es in den Sakramenten keine die Gnade verursachende Kraft. III. Besteht eine solche Kraft innerhalb der Sakramente, so kann sie nur durch Erschaffen von seiten Gottes verursacht werden. Dann wäre es aber unzukömmlich, daß eine solch edle Kreatur sogleich zu sein aufhören soll, wenn das Sakrament gespendet ist. Also. IV. Ein und dasselbe kann nicht in verschiedenen Dingen sein. Zu den Sakramenten aber gehören verschiedene Dinge, nämlich Worte und Sachen; wogegen in ein und demselben Sakramente nur eine Kraft sein kann. Also besteht eine solche die Gnade verursachende Kraft in den Sakramenten nicht. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (tract. 80. in Joan.): „Woher eine so große Kraft des Wassers, daß es den Körper berührt und die Seele abwäscht?“ Und Beda (c. 10. in Luc.): „Der Herr teilte durch die Berührung mit seinem reinsten Fleische den Wassern die Kraft mit, wiederzuerzeugen.“
b) Ich antworte, die da meinen, die Sakramente verursachten Gnade nur durch eine sie von außen her mitbegleitende Kraft, nehmen im Sakramente selber keinerlei Kraft an, welche beitrüge zum Hervorbringen der Wirkung. Nach ihnen wirkt die göttliche Kraft neben und zugleich mit den Sakramenten, bei Gelegenheit von deren Spendung, die sakramentale Gnadenwirkung. Nimmt man aber an, daß die Sakramente in der Weise von Werkzeugen Gnade wirken, so muß man zugleich annehmen, in jedem Sakramentebefinde fich eine demangemessene Kraft, welche die sakramentale Wirkung hervorbringt. Diese Kraft also steht zur vollkommenen, selbständig und an erster Stelle einwirkenden im Verhältnisse eines Werkzeuges. Denn ein Werkzeug wirkt nur insoweit es in Bewegung gesetzt ist von der haupteinwirkenden Ursache, die da selbständig wirkt. Die an erster Stelle einwirkende Kraft also hat ihrer Natur nach bleibendes und vollendet selbständiges Sein; wogegen die als Werkzeug dastehende Kraft ein vorübergehendes, vom Einen auf das Andere fließendes, unvollständiges Sein besitzt; wie ja auch die Bewegung selber eine an sich unvollendete Thätigkeit ist, die da vom Thätigseienden ausgeht zum Leidenden oder Empfangenden hin.
c) I. Eine selbständig bleibende geistige Kraft kann nicht Körperlichem innewohnen. Wohl aber kann Solches dem Geiste als Werkzeug dienen, um eine geistige Wirkung zu erzielen. So ist ja die äußerlich vernehmbare Stimme selber eine gewisie geistige Kraft, um die Vernunft des Menschen aufzuwecken, insoweit sie ausgeht von der inneren Auffassung des Geistes. In dieser Weise nun findet sich eine geistige Kraft in den Sakramenten, insoweit sie von Gott gebraucht. werden zu einer geistigen Wirkung. II. Wie die Bewegung als unvollendetes Thätigsein nicht im eigentlichen Sinne zu einer besonderen eigenen Seinsart gehört, sondern sich zurückführen läßt zur Seinsart des Thätigseins überhaupt als des Vollendeten, und wie das Anderswerden zur Seinsart „Eigenschaft“ sich zurückführen läßt; — so ist die in der Weise eines Werkzeuges thätige Kraft nicht im eigentlichen Sinne innerhalb einer Seinsart, sondern läßt sich zurückführen auf die Seinsart und die Gattung der Kraft als des Vollendeten. III. Wie die Kraft eines Werkzeuges, als eines solchen, demselben innewohnt aus dem Grunde selber, daß es in Bewegung gesetzt wird vom Haupteinwirkenden; so erlangt ein Sakrament geistige Kraft infolge des Segens Christi und der Anwendung von seiten des Spenders beim Spenden selber. Deshalb sagt Augustin (sermo de Epiph.): „Nicht darf man sich wundern, daß wir sagen, das Wasser, d. i. eine körperliche Substanz diene zur Reinigung der Seele. Es gelangt allerdings bis in die Seele und durchdringt die gesamten verborgenen Winkel des Gewissens. Denn durch den Segen Christi ist es feiner geworden und durchdringt nun die verborgenen Ursachen des Lebens, das Geheime des Geistes öffnet sich ihm.“ IV. Wie ein und dieselbe Kraft des Haupteinwirkenden in allen jenen Werkzeugen sich findet, die für den nämlichen Zweck untereinander in geregelter Beziehung stehen und somit eine Einheit der Ordnung nach bilden; so findet sich ein und dieselbe sakramentale Kraft in den Elementen und den Worten, soweit von beiden Seiten her ein einziges Sakrament vollendet wird.
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