Fünfter Artikel. Der sakramentale Charakter ist untilgbar.
a) Das Gegenteil kann aus Folgendem ersehen werden: I. Je vollkommener eine zum Wesen hinzutretende Eigenschaft ist, desto fester wohnt sie inne. Die Gnade aber ist ein mehr vollendeter Zustand wie es der Charakter ist, da ja selbst dieser letztere als weiteren Zweck die Gnade hat. Da also die Gnade durch die Sünde verloren werden kann, so auch der sakramentale Charakter. II. Durch den Charakter wird jemand für den Kult Gottes abgesondert. Manche aber gehen vom wahren Kult über zu einem falschen, indem sie vom Glauben abfallen. Also verlieren sie den Charakter, wie solchen die Sakramente verleihen. III. Fällt der Zweck fort, so fällt notwendig das Zweckdienliche fort; wie nach der Auferstehung keine Ehe mehr sein wird, weil die Zeugung fortfällt, zu der die Ehe Zweckbeziehung hat. Der äußere Kult Gottes aber, zu dem der sakramentale Charakter Zweckbeziehung hat, bleibt nicht im ewigen Heim, wo keinerlei Figur mehr ist, sondern da ist die nackte Wahrheit. Also bleibt der sakramentale Charakter nicht in Ewigkeit und so ist er nicht untilgbar. Auf der anderen Seite sagt Augustin (2. cont. Parmenianum c. 13.): „Nicht minder haftet fest der sakramentale Charakter an wie das körperliche Merkmal für den militärischen Kriegsdienst.“ Letzteres aber wird nicht wiederholt, sondern als noch bestehend anerkannt in dem, der nach der Schuld Gnade gefunden hat beim Fürsten. Also wird auch nicht der sakramentale Charakter vertilgt.
b) Ich antworte, der sakramentale Charakter sei eine gewisse Teilnahme an dem Priestertume Christi in seinen gläubigen; so zwar daß, wie Christus die Vollgewalt des geistigen Priestertums hat, so die gläubigen Christi daran teilnehmen, indem sie eine gewisse geistige Gewalt empfangen mit Rücksicht auf die Sakramente und auf das, was zum göttlichen Kulte gehört. Deshalb kommt es auch nicht Christo zu, daß Er einen sakramentalen Charakter habe; sondern die Vollgewalt seines Priestertums verhält sich zum sakramentalen Charakter wie das Volle und Vollendete zu einer gewissen Teilnahme daran. Nun ist das Priestertum Christi ewig, nach Ps. 109.: „Du bist der Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech.“ Alle Heiligung also, welche kraft seines Priestertums sich vollzieht, ist an sich ewig, so lange die geheiligte oder geweihte Sache bestehen bleibt. Dies ist bereits klar bei den leblosen Dingen. Denn eine Kirche oder ein Altar, der einmal geweiht ist, bleibt dies immer, so lange diese Kirche oder dieser Altar nicht zerstört wird. Da nun die Seele Sitz des sakramentalen Charakters gemäß dem vernünftigen Teile ist, worin der Glaube sich findet, (Art. 3 ad III.) und die Vernunft in Ewigkeit unzerstörbar bleibt, so ist auch offenbar der sakramentale Charakter untilgbar.
c) I. Anders ist die Gnade in der Seele und anders der sakramentale Charakter. Denn die Gnade ist in der Seele, insoweit sie da vollendetes, fertiges Sein hat; der sakramentale Charakter aber hat Kraft in der Weise eines Werkzeuges. Die Form nun, die gemäß dem vollendeten, fertigen Sein da ist, richtet sich nach der Seinsbeschaffenheit ihres Subjekts, wo sie ihren Sitz hat. Weil also die Seele infolge ihres freien Willens veränderlich ist vom Guten zum Bösen, so lange sie in diesem Leben sich findet; so ist die Gnade in der Seele in veränderlicher Weise. Die Kraft aber, die in der Weise eines Werkzeuges wirkt, wird vielmehr berücksichtigt und beurteilt gemäß der Kraft des Haupteinwirkenden. Und so ist der sakramentale Charakter untilgbar in der Seele, nicht auf Grund seiner eigenen Vollendung, sondern auf Grund der Vollendung des Priestertums Christi, von dem, wie von der Hauptursache, die Kraft in den sakramentalen Charakter sich ableitet wie in ein Werkzeug.11. Augustin sagt (1. de bapt. cont. Donat.): „Die abgefallenen selber ermangeln nicht der Taufe; denn es wird ihnen, wenn sie reuig zurückkommen, dieselbe nicht von neuem gespendet; und somit wird mit Recht geurteilt, sie könne nicht verloren werden.“ Der Grund davon ist, daß der sakramentale Charakter in der Weise eines Werkzeuges Kraft hat. Die Natur eines Werkzeuges aber verlangt, daß es von einem anderen in Bewegungund Thätigkeit gesetzt werde; nicht aber daß es sich nach Art des freien Willens selber bewegt. Mag also der Wille sich wie auch immer zum Gegenteile hin bewegen, der Charakter bleibt auf Grund der Unverrückbarkeit des in Bewegung setzenden Princips. III. Wohl bleibt nach diesem Leben nicht der äußere Kult; es bleibt aber der Zweck desselben. Und danach bleibt der sakramentale Charakter: in den guten zu deren Verherrlichung; in den bösen zu deren Schmach. So bleibt ja auch nach dem Siege der militärische Charakter: in denen die gesiegt haben zur Verherrlichung; in den besiegten zur Strafe.
