Vierter Artikel. Der sakramentale Charakter hat nicht als Sitz die Seele ihrem Wesen nach, sondern ihrem Vermögen nach.
a) Der sakramentale Charakter hat seinen Sitz im Wesen der Seele. Denn: I. Der Charakter wird als vorbereitend, als dispositio betrachtet für die Gnade. Die Gnade aber hat ihren Sitz im Wesen der Seele. II. Der genannte Charakter ist selber ein Vermögen, wie Art. 1. gesagt worden. Also hat er seinen Sitz im Wesen der Seele wie alle anderen Vermögen. III. Der sakramentale Charakter ist nicht in einem erkennenden Vermögen; denn er hat zu seinem Zwecke keine Kenntnis. Er ist nicht in einem begehrenden Vermögen, aus dem gleichen Grunde. Er ist nicht zugleich in beiden, weil keine hinzutretende Eigenschaft zugleich in zwei Vermögen ihren Sitz haben kann. Also ist er nicht in den Vermögen der Seele, sondern im Wesen selber. Auf der anderen Seite wird wie Art. 3. es heißt, der Charakter eingeprägt der Seele gemäß dem Bilde. Das Bild der Dreieinigkeit aberin der Seele ist in den Vermögen. Also hat der Charakter seinen Sitz in den Vermögen der Seele.
b) Ich antworte, durch den sakramentalen Charakter werde die Seele gekennzeichnet, um zu empfangen oder mitzuteilen etwas, was zum Kulte Gottes gehört. Da nun dieser letztere in einigen Thätigkeiten besteht, solche aber von den Vermögen unmittelbar ausgehen, deren Zweck ist das Thätigsein, während das Wesen zum nächsten Zwecke hat das Sein, so daß nämlich gemäß dem Wesen ein Ding ist; so hat der sakramentale Charakter seinen Sitz vielmehr in den Vermögen wie im Wesen der Seele.
c) I. Einer Eigenschaft wird ihr Sitz oder Subjekt zugesprochen unter dem Gesichtspunkte dessen, wozu sie unmittelbar vorbereitet. Nun bereitet der sakramentale Charakter unmittelbar vor zu dem, was sich auf den Kult Gottes erstreckt. Und weil der Kult Gottes nicht in geeigneter Weise gepflegt wird ohne den Beistand der Gnade, da nach Joh. 4. „die Gott anbeten, Ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten sollen“; so schenkt die göttliche Güte denen, die den Charakter empfangen, auch die Gnade, kraft deren sie würdig thun das was ihnen obliegt. Und somit muß man dem sakramentalen Charakter seinen Sitz anweisen mehr gemäß den zum göttlichen Kult gehörigen Thätigkeiten wie gemäß der Gnade. II. Das Wesen der Seele ist Sitz jener Vermögen, die kraft der Natur aus den Principien des Wesens fließen. Ein solches Vermögen aber ist nicht der sakramentale Charakter, sondern er ist eine gewisse geistige Gewalt, die von außen her hinzutritt. Wie also das Wesen der Seele vollendet wird als Princip und Sitz des natürlichen Lebens durch die Gnade, vermittelst deren der Mensch dem Geiste nach lebt; so wird das natürliche Vermögen der Seele vollendet durch ein geistiges Vermögen oder eine innerliche Gewalt, die da ist der sakramentale Charakter. Denn der Zustand und was sonst zur Thätigkeit vorbereitet gehört dem Vermögen der Seele als dem Sitze an, weil dadurch das Thätigsein befördert wird, wovon die Vermögen die entsprechenden Principien sind. Und unter demselben Gesichtspunkte ist Alles, was zum Thätigsein in Beziehung steht, den Vermögen der Seele zuzuschreiben. III. Der sakramentale Charakter hat zum leitenden Zwecke die Gottesverehrung oder den Kult. Also ist er im erkennenden Vermögen, welches der Sitz des Glaubens ist.
