Sechster Artikel. Der Firmungscharakter hat notwendig zur Voraussetzung den Tauf charakter.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Viele haben den Glauben öffentlich bekannt, ehe sie getauft waren. Dazu aber stärkt der Firmungscharakter, daß man den Glauben öffentlich bekenne. Also kann derselbe bestehen ohne die Taufe. II. Man liest nicht, daß die Apostel getauft worden sind; zumalJoh. 4. steht, daß der Herr nicht taufte, wohl aber seine Jünger. Trotzdem wurden sie aber nachher gefirmt durch die Ankunft des heiligen Geistes. III. Nach Act. 10. „fiel, während Petrus noch sprach, der heilige Geist auf jene, die da hörten; und sie sprachen in verschiedenen Sprachen.“ Nachher aber wurden sie getauft. Auf der anderen Seite schreibt Rhabanus (1. instit. cler. 30.): „An letzter Stelle wird vom Hohepriester dem getauften der heilige Geist gegeben, damit er gefestigt sei durch den heiligen Geist, um zu predigen.“
b) Ich antworte, der Charakter der Firmung setze bis zu dem Punkte notwendig voraus den Taufcharakter, daß, wäre jemand gefirmt worden, ehe er noch getauft war, nichts gewirkt worden sein würde; sondem er müßte noch einmal gefirmt werden nach der Taufe. Der Grund ist offenbar. Denn so verhält sich die Firmung zur Taufe wie das Wachsen zur Erzeugung. Also wie niemand wachsen und sich bis zum vollendeten Alter entwickeln kann, ehe er geboren ist, so kann niemand gefirmt werden, wenn er nicht getauft ist.
c) I Die göttliche Kraft ist nicht beschränkt durch die Sakramente. Wie jemand den Nachlaß der Sünden also erlangen kann ohne Taufe, so auch die Kraft des heiligen Geistes ohne Firmung. Wie aber niemand die Wirkung der Taufe empfangen kann ohne die Begierde nach derselben, so kann auch niemand die Wirkung der Firmung, den Glauben nämlich öffentlich zu bekennen, empfangen ohne die Begierde nach ihr; und diese Begierde kann jemand haben vor dem Empfangen der Taufe. II. „Daraus daß der Herr sagt: Der da rein gewaschen ist, hat nur notwendig daß er die Füße wasche, geht hervor, daß die Apostel getauft worden sind, sei es mit der Taufe des Johannes (wie einige meinen) sei es mit der Taufe Christi (was mehr wahrscheinlich ist). Denn „Christus verschmähte es nicht, selber zu taufen, damit Er getaufte Diener habe, durch die Er die übrigen taufte;“ so Augustin (ep. 265.). III. Die Zuhörer Petri empfingen durch ein Wunder die Wirkung der Firmung, nicht aber das Sakrament. Nun kann (Art. 2 ad I., Art. 4 ad I.) wohl die Wirkung der Firmung jemandem zu teil werden vor der Taufe, aber nicht das Sakrament der Firmung. Denn wie die Wirkung der Firmung, also die Kraft im Geiste zur Voraussetzung hat die Wirkung der Taufe, d. h. die Rechtfertigung; so hat das Sakrament der Firmung zur Voraussetzung das Sakrament der Taufe.
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