Fünfter Artikel. Das Sakrament der Firmung prägt einen Charakter ein.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Ein solcher Charakter ist ein Unterscheidungsmerkmal. Nun unterscheidet von den ungläubigen die Taufe; von anderen gläubigen kann die Firmung nicht unterscheiden, denn alle sind verpflichtet zu kämpfen. Also ist da gar keine Unterlage für einen sakramentalen Charakter. II. Der sakramentale Charakter ist ein geistiges Vermögen. Nun wird das für die Spendung der Sakramente thätig wirksame Vermögen verliehen in der Priesterweihe, das Vermögen für das Empfangen der Sakramente in der Taufe. Also ist gar kein Platz da für einen sakramentalen Charakter der Firmung. III. In der Beschneidung, die ein körperliches Merkzeichen ist, wird kein geistiger Charakter eingeprägt. In der Firmung wird ein körperliches Merkzeichen, nämlich das Kreuzzeichen, der Stirne aufgeprägt. Also giebt es da keinen geistigen Charakter. Auf der anderen Seite wird in jedem Sakramente, welches nicht wiederholt wird, ein Charakter aufgeprägt. Gregor der Große aber sagt (cap. de concecr. d. 5.): „Betreffs des Menschen, welcher vom Bischofenoch einmal gefirmt worden, schreiben wir vor, daß eine solche Wiederholung zu unterbleiben hat.“
b) Ich antworte; der Charakter sei ein gewisses geistiges Vermögen, das auf gewisse heilige Handlungen hin gerichtet ist. Wie aber die Taufe ist ein gewisses geistiges Wiedererzeugen zum christlichen Leben; so ist die Firmung ein gewisses Wachsen, welches den Menschen entwickelt bis zu vollendeter geistiger Kraft. Offenbar aber ist gemäß der Ähnlichkeit mit dem körperlichen Leben eine andere Thätigkeit die des neugeborenen Menschen und eine andere jene, die ihm nach dem Besitze der männlichen Vollkraft zukommt. Und somit erlangt der Mensch in der Firmung das geistige Vermögen für einige heilige Thätigkeiten, zu denen er in der Taufe das Vermögen nicht erhielt. Denn in der Taufe empfängt der Mensch die Gewalt oder das Vermögen, das zu thun, was dem eigenen Heile dient, insoweit er nämlich rein für sich lebt. In der Firmung aber empfängt er das Vermögen das zu thun, was zum geistigen Kampfe gehört gegen die Feinde des Glaubens. Dies wird bereits am Beispiele der Apostel klar. Denn vor dem Empfangen der Fülle des heiligen Geistes waren sie im Abendmahlssaale beharrend im Gebete; nachher aber scheuten sie sich nicht, herauszugehen und öffentlich den Glauben zu bekennen vor den Feinden des christlichen Glaubens. Und so wird offenbar in der Firmung ein Charakter eingeprägt
c) I. Der Kampf gegen die unsichtbaren Feinde kommt allen zu. Den Glauben aber bekennen vor seinen sichtbaren Verfolgern, zu kämpfen durch das öffentliche Bekennen des Namens Jesus, ist Sache der gefirmten, d. h. der im Glauben gefestigten, die geistig zum Vollalter gelangt sind, nach 1. Joh. 2.: „Ich schreibe euch, Jünglinge, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr besiegt habt den Bösen.“ Und also ist der Firmungscharakter das Unterscheidungsmerkmal, nicht zwar der gläubigen von den ungläubigen, sondern derer, die geistig fortgeschritten sind, von den „wie neu geborenen“ (1. Petr. 2.). II. Alle Sakramente enthalten ein Bekennen des Glaubens. Wie nämlich der getaufte die geistige Gewalt empfängt, den Glauben zu bekennen durch das Empfangen anderer Sakramente; so der gefirmte, ihn zu bekennen mit Worten öffentlich vor den Verfolgern. III. Die Sakramente des Alten Bundes gehörten „der Gerechtigkeit des Fleisches“ (Hebr. 9.) an; weil sie nichts innerlich wirkten. Deshalb war die Beschneidung nur ein Merkmal am Leibe, nicht in der Seele. In der Firmung wird mit dem körperlichen Merkmal zugleich ein geistiges eingeprägt; denn sie ist ein Sakrament des Neuen Bundes.
