Zweiter Artikel. Der ganze Christus ist unter einer jeden der zwei Gestalten.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Das ganze Sakrament dient kraft seines Inhalts dem Nutzen der gläubigen, nicht kraft der äußeren Gestalten. Ist aber der nämliche Inhalt unter einer jeden von beiden Gestalten, so ist eine völlig überflüssig. II. Unter dem Ausdrucke „Fleisch“ sind hier auch die anderen Teile des Körpers einbegriffen wie die Nerven, Knochen etc. Nun ist das Blut ein solcher Teil des Körpers. Ist also das Blut enthalten auch unter der Gestalt des Brotes, so dürfte es nicht getrennt konsekriert werden, wie auch andere Teile des Körpers nicht getrennt konsekriert werden. III. Was bereits da ist, kann nicht von neuem werden. Der Körper Christi aber ist bereits zugegen nach der Konsekration des Brotes. Also kann er nicht von neuem anfangen, zugegen zu sein bei der Konsekration des Weines. Somit ist unter der Gestatt des Weines nicht der Körper Christi und somit nicht der ganze Christus. Auf der anderen Seite erklärt zu 1. Kor. 1l. (et calicem) die Glosse: „Unter jeder von beiden Gestalten nehmen wir das Nämliche.“
b) Ich antworte; mit höchster Gewißheit sei festzuhalten, daß unter einer jeden von beiden Gestalten der ganze Christus sei; aber je in anderer Weise. Denn unter der Gestalt des Brotes ist der Leib Christi kraft des Sakramentes, das Blut kraft thatsächlichen Begleitens. Unter der Gestalt des Weines aber ist das Blut Christi kraft des Sakramentes, der Leib Christi kraft thatsächlichen Begleitens. Da also jetzt Blut und Leib in Christo thatsächlich geeint sind, ist unter jeder Gestalt der ganze Christus: Fleisch und Blut. Hätten aber die Apostel in den drei Tagen daß Christi Leib vom Blute getrennt war das Geheimnis gefeiert, so wäre unter der Gestalt des Brotes nur der Leib gewesen, nicht aber das Blut; und unter der Gestalt des Weines wäre nur das Blut gewesen und nicht der Leib.
c) I. Nicht unnütz sind die beiden Gestalten. Denn 1. wird dadurch das Leiden Christi dargestellt, in welchem getrennt ward der Leib vom Blute, wonach in der Form der Konsekration des Weines auch Erwähnung geschieht des Ausgießens des Blutes. Es ist 2. diese Trennung zukömmlich wegen des Genusses der gläubigen, denen getrennt dargeboten wird der Leib Christi als Speise und sein Blut als Trank. Es ist 3. zukömmlich der Wirkung des Sakramentes, wonach der Leib Christi dargeboten wird für das Heil des Körpers, sein Blut für das Heil der Seele. II. Im Leiden Christi, dessen Andenken das heilige Sakrament ist, wurde nur das Blut vom Leibe getrennt und kein anderer Teil, nach Exod. 12.: „Seine Knochen sollt ihr nicht brechen.“ III. Nur das Blut ist unter der Gestalt des Weines kraft des Sakramentes, und sonach wird nicht unnützerweise konsekriert das Blut des Herrn, nachdem der Leib konsekriert worden.
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