Sechster Artikel Die sakramentalen Gestalten können nähren.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Ambrosius (5. de sacr. 4.) sagt: „Nicht ist dies ein solches Brot, welches in den Körper übergeht, sondern es ist das Brot des ewigen Lebens, das da die Stütze ist für die Substanz unserer Seele.“ Also nähren die sakramentalen Gestalten nicht. II. „Woraus wir bestehen, von da aus werden wir genährt“ (2. de gener.). Die sakramentalen Gestalten aber sind Accidentien, aus denen der Mensch nicht besteht; denn ein Accidens oder eine Eigenschaft ist nicht ein Teil der Substanz. Also können diese Gestalten nicht nähren. III. Nach 2. de anima „nährt die Nahrung, weil sie eine gewisse Substanz ist; sie vermehrt oder verleiht das Wachsen, weil sie eine so große ist, d. h. einen Umfang hat.“ Die sakramentalen Gestalten aber sind keine Substanz. Auf der anderen Seite sagt zu I. Kor. 11, 21. die Glosse: „Er spricht von jenen, welche nach der Feier der heiligen Geheimnisse oder nach der Konsekration von Brot und Wein ihre Opfergaben nicht den anderen mitteilten, sondern allein für sich nahmen und sogar davon trunken wurden.“ Dies könnte aber nicht geschehen, wenn die sakramentalen Gestalten nicht nährten.
b) Ich antworte; nach der im vorigen Kapitel gelösten Frage könne diese Frage keine Schwierigkeit mehr bieten. Denn die Nahrung nährt insofern, als sie in die Substanz des genährten übergeht. Nun können die sakramentalen Gestalten in eine andere Substanz verwandelt werden, die aus ihnen erzeugt wird. Also können sie ebenso, wie in Asche oder Staub, auch in die Substanz des menschlichen Körpers verwandelt werden und somit nähren. Was aber einige sagen, diese Gestalten nährten nicht, sondern beeinflußten bloß die Sinne (wie etwa die Speise durch den Geruch) und stärkten so (wie wenn jemand durch den Geruch des Weines trunken würde); das ist augenscheinlich falsch. Denn solche Erquickung und Stärkung hält nicht lange an. Würde aber der Mensch eine große Quantität konsekrierter Hostien nehmen, so könnte er lange davon bestehen. Auch das darf man nicht sagen, daß die sakramentalen Gestalten nähren wegen der substantialen rein bestimmenden Wesensform, die sie behalten; denn 1. bleibt eine solche Wesensform von Brot und Wein nach der Konsekration nicht; und 2. ist das Nähren keine Thätigkeit, die von der bestimmenden Form ausgeht, sondern vielmehr vom Stoffe, der da verliert die Form der Nahrung und empfängt die Form des genährten, nach 2. de anima: „Die Nahrung ist im Anfange unähnlich, am Ende ähnlich.“
c) I. „Brot“ kann man nach der Konsekration nennen entweder dieGestalten des Brotes, die den Namen der früheren Substanz behalten (Gregor. in hom. pasch.); oder den Leib Christi, der das Brot ist, „was vom Himmel steigt“. Ambrosius spricht vom Brote im zweiten Sinne, das nicht den Leib, sondern die Seele erquickt. II. Die sakramentalen Gestalten werden verwandelt in das, woraus der Mensch besteht. III. Die sakramentalen Gestalten haben die Kraft der Substanz.
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