Fünfter Artikel. Aus den sakramentalen Gestalten kann etwas erzeugt werden.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Was erzeugt wird, das wird aus einem Stoffe erzeugt; aus Nichts nämlich kann wohl Etwas werden durch Erschaffen, aber es kann aus Nichts nicht Etwas gezeugt werden. Jene sakamentalen Gestalten aber haben keinen Stoff zur Unterlage; sie sind ohne Stoff. Also kann daraus nichts erzeugt werden. II. Wenn zwei Dinge nicht ein und derselben Art angehören, so kann nicht das Eine aus dem Anderen erzeugt werden; aus der Weiße z. B. wird keine Linie. Also kann hier aus reinen Accidentien keine Substanz gezeugt werden. III. Wird aus ihnen eine Substanz gezeugt, so kann diese nicht ohne Accidens oder Eigenschaft sein. Also würde hier aus einem reinen Accidens gezeugt werden Substanz und Accidens; zwei Dinge nämlich von einem, was unmöglich ist. Auf der anderen Seite wird aus den sakramentalen Gestalten, wie der Augenschein lehrt. Etwas erzeugt: Asche, wenn sie verbrannt werden; Würmer, wenn sie faulen; Staub, wenn sie zermalmt werden.
b) Ich antworte, „das Vergehen des Einen sei das Entstehen oder Erzeugtwerden des Anderen.“ Da also die sakramentalen Gestalten nicht im Nichts aufgehen, so wird bei ihrem Vergehen notwendigerweise Etwas erzeugt. In welcher Weise dies aber geschehen kann, ist schwer zu sagen. Denn offenbar wird von der Substanz des Leibes und Blutes Christi aus nichts erzeugt, da sie unvergänglich ist. Wenn nun die Substanz von Brot undWein zuriickbliebe, so wäre die Schwierigkeit leicht gelöst; aber das ist trotz der Ansicht einiger falsch. Deshalb meinte man nun, das Gezeugte werde nicht aus den Gestalten, sondern aus der umgebenden Luft. Aber das ist in vielfacher Weise falsch. Denn 1. wird Etwas nur erzeugt von etwas Anderem, was verdorben ist, also was vergeht; nichts aber zeigt an, daß die umgebende Luft verdorben wird, so daß aus ihr Würmer oder Asche erzeugt würden; — 2. ist dies gegen die Natur der Luft, daß aus ihr, auch wenn sie verdorben ist, Solches gezeugt werde; — 3. kann eine große Quantität konsekrierter Hostien faulen oder verbrannt werden, so daß es gar nicht möglich wäre, daß so viel Erdeartiges aus der Luft erzeugt würde, es müßte diese denn in sehr sinnlich wahrnehmbarer Weise verdichtet werden; — 4. müßte doch dasselbe geschehen mit den festen umgebenden Körpern, wie Eisen, Stein, Gold; diese aber bleiben vollständig unberührt bei der erwähnten Erzeugung. Andere meinten deshalb, es kehre beim Vergehen die Substanz des Brotes und Weines zurück und aus ihr werde dann Asche, Staub etc. Doch auch diese Annahme ist unmöglich zu rechtfertigen. Denn 1. müßte die Substanz des Leibes und Blutes Christi wieder verwandelt werden in die Substanz von Brot und Wein, sollte letztere Substanz zurückkommen; wie, wenn Luft in Feuer verwandelt worden, die Luft nicht zurückkehrt, falls nicht das Feuer wieder in Luft verwandelt wird; also müßte, wenn man sagen wollte, die Substanz von Brot und Wein sei zu Nichts geworden und kehre nun zurück, man annehmen, Gott schaffe eine neue Substanz, die dann der Zahl nach natürlich nicht dieselbe wäre wie die frühere; — 2. kann im genannten Falle gar nicht angegeben werden, wann die befagte Substanz zurückkehrt; denn so lange die Gestalten von Brot und Wein bleiben, bleibt die Substanz des Leibes und Blutes Christi, die nicht zugleich ist mit der Substanz von Brot und Wein in diesem Sakramente (Kap. 75, Art. 2.). Während die Gestalten also bleiben, kann die Substanz von Brot und Wein nicht zurückkehren; sind aber die Gestalten von Brot und Wein nicht mehr, so bestände, falls die Substanz zurückkehrte, eine Substanz ohne Accidentien oder Eigenschaften, was unmöglich ist. Höchstens könnte man sagen, im letzten Augenblicke des Vergehens kehre zwar nicht die Substanz von Brot und Wein zurück (denn dies ist zugleich der erste Augenblick, wo das Gezeugte Sein hat), aber der geeignete Stoff werde wunderbarerweise eigens geschaffen. Weil jedoch in diesem Sakramente ein Wunder nicht angenommen werden darf, was nicht in den Konsekrationsworten liegt und begründet ist; aus diesen aber in keiner Weise hervorgeht, daß der betreffende Stoff geschaffen wird oder zurückkehrt; so scheint es besser zu sagen, in der Konsekration selber werde es durch ein Wunder dem Umfange vom Brote und Weine gegeben, daß er erstes Subjekt sei für die anderen folgenden verändernden Formen oder Eigenschaften, so lange die Gestalten bleiben. Dies wäre in erster Linie eigen dem Stoffe, solches Subjekt zu sein. Also würde folgerichtig diesem Accidens des Umfanges Alles gegeben, was sonst dem Stoffe zugehört. Was demnach erzeugt werden könnte aus dem Stoffe von Brot und Wein, alles dies wird nun erzeugt aus dem genannten Umfange, der nicht infolge eines neuen Wunders solche Kraft erhält, sondern infolge des Wunders der Verwandlung, das bereits geschehen und das in den Konsekrationsworten begründet ist.
c) I. Der Umfang tritt an die Stelle des Stoffes. II. Jene sakramentalen Gestalten haben eine Wirksamkeit und ein Sein wie die Substanz (Art. 1 ad IV.). III. Der Umfang behält die ihm eigene Natur und erhält wunderbarerweise die Kraft, an der Stelle der Substanz zu stehen. Und so kann er in Beides übergehen: in eine Substanz und in einen Umfang.
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