Fünfter Artikel. Nicht alle Sündenstrafe wird durch dieses Sakranrent hinweggeräumt.
a) Das Gegenteil geht aus Folgendem hervor: I. Der Mensch empfängt durch dieses Sakrament in sich die Wirkung des Leidens Christi wie auch durch die Taufe. Diese aber läßt alle Sündenstrafe nach. II. Alexander I. (ep. 1. ad omn. ortlhod.) sagt: „Nichts Größeres kann es unter den Opfern geben wie den Leib und das Blut Christi.“ Durch die Opfer des Alten Bundes aber that der Mensch genug für seine Sünden, nach Lev. 4 und 5.: „Wenn der Mensch gesündigt hat, so soll er dies oder jenes darbringen für seine Sünde und sie wird ihm vergeben werden.“ Also um so mehr gilt dieses Sakrament als Genugthuung für die Sünde. III. Jedenfalls wird kraft dieses Sakramentes etwas an Strafen nachgelassen. Denn man legt manchen als Buße auf, Messen für sich lesen zu lassen. Wenn aber ein Teil der Strafe nachgelassen wird, dann aus dem gleichen Grunde auch die anderen Teile, da die im Sakramente enthaltene Kraft Christi unendlich ist. Auf der anderen Seite wäre, wenn dies seine Richtigkeit hätte.dem Menschen nicht eine andere Buße aufzulegen, wie ja auch dem getauften keine aufgelegt wird.
b) Ich antworte; dieses Sakrament sei zugleich Opfer und Sakrament: Opfer, insofern es dargebracht wird; Sakrament, insoweit es genommen wird. Als Sakrament also wirkt es in denen, die es nehmen; als Opfer in denen, die es darbringen oder für die es dargebracht wird. Als Sakrament nun hat es eine Wirkung: 1. direkt kraft des Sakramentes; und so ist es nicht eingesetzt, um für die Sünden genug zuthun, sondern um geistig zu nähren durch die Vereinigung in Liebe mit Christo und seinen Gliedern; — 2. kraft eines thatsächlichen Begleitens; und so kann das Sakrament auch die Sündenstrafen nachlassen. Denn da diese Vereinigung eben durch die Liebe sich vollzieht, auf Grund deren, wenn sie recht glühend ist, nicht nur die Sünde, sondern auch die Strafe nachgelassen wird; so ist die eigentliche Wirkung des Sakramentes manchmal begleitet von einem Nachlasse der Strafe; nicht zwar der ganzen, sondern nach Maßgabe der Andacht und Liebesglut. Als Opfer jedoch hat die heilige Eucharistie genugthuende Kraft. In solcher Genugthuung aber wird mehr gewogen die Liebesneigung des darbringenden wie die Größe und der Umfang der dargebrachten Gabe. Deshalb sagte der Herr von der Witwe, die zwei kleine Münzen dargebracht, „sie habe mehr als alle gegeben.“ Die Größe und der Umfang der Opfergabe nun hier ist wohl hinreichend, um genugzuthun für alle Strafe; thatsächlich aber wird die im Sakramente enthaltene Opfergabe erst genugthuend für jene, die darbringen oder für die dargebracht wird, gemäß dem Umfange der Andacht und nicht für die ganze Strafe.
c) I. Die Taufe läßt direkt alle Sünden und Strafen nach; denn in ihr stirbt der Mensch mit Christo. In der Eucharistie aber wird er genährt und vollendet durch Christum. II. Jene Opfer lösten nach keiner Seite hin von der ganzen Strafe; weder mit Rücksicht auf die Größe der Opfergabe noch mit Rücksicht auf die Andacht des opfernden. III. Nicht die Kraft Christi ist hier mangelhaft, sondern die menschliche Andacht und Liebesglut.
