Vierter Artikel. Der Sünder, der in sakrarnentaler Weise den Leib Christi nimmt, sündigt.
a) Das Gegenteil erhellt aus Folgendem: I. Nicht größere Würde hat der Leib Christi unter der sakramentalen Gestalt wie unter der eigenen menschlichen. Die Sünder aber, welche Christi Leib berührten, sündigten nicht; sondern im Gegenteil wurden ihnen die Sünden verziehen, wie Luk. 7. gelesen wird von der sündigen Frau, und Matth. 14.: „Wer den Saum seines Gewandes berührte, ward rein von welch immer einer Krankheit.“ II. Dieses Sakrament ist, wie die anderen, geistige Medizin, nach Matth. 9.: „Den gesunden ist der Arzt nicht nötig; sondern den kranken.“ Solche kranke aber sind im geistigen Sinne die Sünder. III. Dieses Sakrament gehört, weil Christus in ihm enthalten ist, zu den größten Gütern. Solche aber kann niemand schlecht gebrauchen, nach Augustin (2. de lib. arbitr. 19.). Also ist in seinem Gebrauche niemals Sünde. IV. Wie dieses Sakrament geschmeckt und gefühlt wird, so wird es auch gesehen. Sündigt also der Sünder dadurch daß er es nimmt, so sündigt er auch dadurch daß er es sieht; was falsch ist, da sonst die Kirche es nicht öffentlich zur Anbetung aussetzen würde. V. Manchmal hat ein Sünder gar nicht das Bewußtsein, eine Todsünde zu haben. Da scheint er aber dabei nicht zu sündigen. Sonst wären alle in dieser Gefahr, da jeder Mensch sagen muß mit dem Apostel (1. Kor. 4.): „Ich bin mir nichts bewußt, aber darum bin ich noch nicht gerechtfertigt.“ Auf der anderen Seite ist es für den Sünder eine neue Schuld, wenn er im Zustande der Sünde dieses Sakrament nimmt. Denn 1. Kor. 11. heißt es: „Wer ißt und trinkt unwürdig, der ißt und trinkt sich das Gericht“ d. i. die Verdammnis, sagt die Glosse, „weil er in der Sünde ist und un ehrerbietig das Sakrament behandelt.“
b) Ich antworte, in diesem Sakramente sei wie in allen Sakramenten das, was nur allein Sakrament ist, das Zeichen von dem sachlichen Inhalte, der res des Sakramentes. Dieser sachliche Inhalt nun ist ein doppelter: 1. der wahre Leib Christi, der darin enthalten ist; — und 2. der bezeichnete, aber nicht der Thatsächlichkeit nach enthaltene mystische Leib Christi oder die Gemeinschaft der heiligen. Wer also dieses Sakrament nimmt, bezeichnet damit, er sei mit Christo und seinen Gliedern in ein und demselben Körper; und dies geschieht vermittelst des in der Liebe geformten und gethätigten Glaubens, den niemand im Stande der Todsünde hat. Wer also trotzdem das Sakrament nimmt, der lügt bewußterweise in den heiligsten Dingen und begeht ein Sakrileg, weil er das Sakrament verletzt; und deshalb sündigt er tödlich.
c) I. Christus in seiner eigenen Gestalt erscheinend bot Sich den Menschen nicht dar als Zeichen oder Sakrament der geistigen Gemeinschaft mit Ihm. Und somit begingen die Menschen, die Ihn berührten, nicht das Verbrechen der Falschheit im Heiligsten, wie die Sünder in diesem Sakramente. Zudem trug der Herr noch die Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde. Als diese Ähnlichkeit nicht mehr da war nach der Verherrlichung in der Auferstehung, verbot Er der Frau, die da Mangel an Glauben an Ihn hatte, Ihn zu berühren, nach Joh. 20.: „Berühre mich nicht; denn noch nicht bin ich aufgefahren zu meinem Vater,“ nämlich „in Deinem Herzen“, wie Augustin erklärt (tract. 121. in Joan.). Wer also, wie die Sünder, Mangel an dem durch die Liebe vollendeten Glauben hat, wird von der Berührung dieses Sakramentes fortgewiesen. II. Nicht jede Medizin ist gut für jede Krankheit. Den noch fiebernden z. B. wird eine andere Medizin gegeben, wie denen, die nach dem Fieber der Stärkung bedürfen. So sind die Taufe und die Buße für die noch im Fieber der Sünde befindlichen; die Eucharistie dient zur Stärkung nach dem Fieber. III. Unter den größten Gütern versteht da Augustin die Tugenden der Seele, die niemals das Princip sind von schlechtem Gebrauche; wohl aber Gegenstand für einen solchen sein können, wie wenn man stolz ist auf seine Keuschheit. So ist dieses Sakrament niemals Princip für schlechte Thätigkeit, kann aber Gegenstand für eine solche sein. Deshalb sagt Augustin (tract. 62. in Joan.): „Viele empfangen unwürdig den Leib Christi; wodurch wir belehrt werden, wie sehr man sich hüten muß, das Gute schlecht zu empfangen. Denn siehe, durch das Gute ist etwas Schlechtes geworden, wenn schlecht empfangen wird das Gute; wie umgekehrt dem Apostel ein Gut erwachsen ist durch das Übel, als er gut annahm das Übel; nämlich den Stachel Satans geduldig trug.“ IV. Das Sehen reicht nicht bis zur Substanz des Leibes Christi sondern nur bis zu den äußeren Gestalten. Wer aber kommuniziert, nimmt Christum selbst, der unter den Gestalten ist. Ist also jemand getauft, so wird er zum Sehen des heiligen Sakramentes zugelassen. Wer jedoch nicht getauft ist, der soll (Dion. 7. de eccl. hier.) das Sakrament nicht einmal sehen. Zum geistigen Speisen aber soll nur zugelassen werden, wer auch thatsächlich in der Liebe mit Christo vereint ist. V. Ist es die Schuld des Sünders, daß er seine eigene Sünde nicht weiß, sei es daß er die Rechtsprincipien nicht kennt, die jeder kennen muß, wie wenn jemand nicht weiß, daß einfache Unkeuschheit Sünde ist, oder sei es daß er nachlässig „sein Gewissen geprüft hat“, wie dies der Apostel verbietet (1. Kor. 11, 28.); — so sündigt der Sünder, welcher so die heilige Eucharistie nimmt; denn seine Unwissenheit selber ist Sünde. Ist dies aber nicht die Schuld des Sünders, wie wenn jemand Schmerz hat über seine Sünde, jedoch nicht hinreichende Zerknirschung; so sündigt er nicht dadurch daß er die Eucharistie nimmt; denn der Mensch kann nicht zuverlässig wissen, daß er wahrhaft zerknirscht ist; es genügt dafür, daß er Zeichen der Reue in sich findet, wie wenn er Schmerz hat über das Vergangene und sich vornimmt, für die Zukunft sich mehr zu hüten. Weiß jedoch der Sünder nichts von seiner Sünde, weil er deren Thatsächlichkeit nicht kennt, wie wenn jemand bei einer anderen gewesen ist in der Meinung, es sei seine Frau; so ist er deshalb nicht Sünder zu nennen. Ebenso wenn er die Sünde ganz vergessen hat; es genügt dann die allgemeine Reue.
