Fünfter Artikel. Mit dem Bewußtsein einer Todsünde dieses Sakrament genießen, ist nicht die allerschwerste Sünde.
a) Dies scheint jedoch. Denn: I. Denn zu 1. Kor. 11.: „Wer unwürdig dieses Brot ißt und den Kelch des Herrn trinkt, wird schuldig sein des Leibes und Blutes des Herrn,“ bemerkt die Glosse: „d. h. er wird bestraft werden, als ob er Christum kreuzigte.“ Die Sünde aber derer, die Christum kreuzigten, war die schwerste. II. Hieronymus schreibt (ep. ad Oceanum): „Was ist dir mit den Weibern gemein, der du am Altare mit Gott verkehrst? Sprich, Priester, sprich, Kleriker, wie kannst du mit denselben Lippen den Sohn Gottes küssen, mit welchen du das unreine Weib geküßt hast? Wie Judas verrätst du mit einem Kusse den Herrn!“ Des Judas Sünde aber war die schwerste. III. Abscheulicher vor Gott ist der geistige Schmutz wie der körperliche. Wer aber den Leib Christi in den Kot z. B. würfe, würde die schwerste Sünde begehen. Also den Leib Christi im Bewußtsein der Todsünde nehmen ist die schwerste Sünde. Auf der anderen Seite bemerkt zu Joh. 15.: „Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, so würden sie keine Sünde haben“ Augustin (tract. 89. in Joan.), dies sei die Sünde des Unglaubens, die alle anderen Sünden in sich enthielte; und also scheint die Sünde des Unglaubens die größte.
b) Ich antworte; an und für sich, der inneren Natur nach sei eineSünde um so größer, je größer der Gegenstand ist, gegen welchen man sündigt. Weil also die Gottheit Christi höher steht und größer ist wie die Menschheit Christi und diese wieder höher wie die Sakramente, so sind jene Sünden die größten, welche gegen die Gottheit selber gerichtet sind, wie der Unglaube und die Gotteslästerung. Dann kommen die Sünden gegen die Menschheit Christi, nach Matth. 12, 31.: „Wer da ein Wort sagt gegen den Sohn Gottes, dem wird vergeben werden; wer aber ein Wort sagt gegen den heiligen Geist, dem wird nicht vergeben werden weder in dieser Zeit noch in Zukunft.“ An dritter Stelle kommen die Sünden gegen die Sakramente, die zur Menschheit Christi Beziehung haben; und dann alle anderen Sünden gegen die Geschöpfe. Von seiten des Sünders aber ist eine Sünde leichter, wenn sie aus Unkenntnis oder Schwäche geschieht als wenn sie aus Bosheit oder Verachtung hervorgeht. Und so kann diese Sünde größer sein als die anderen; z. B. in jenen, die aus thatsächlicher Verachtung mit dem Bewußtsein einer schweren Sünde an dieses Sakrament herantreten; während sie in jenen, die dies aus Menschenfurcht thun, damit sie nicht als Sünder vor allen dastehen, schwächer ist. Diese Sünde also ist, in ihrer Natur betrachtet, größer wie viele andere; jedoch nicht die größte.
c) I. Gemäß der Ähnlichkeit wird diese Sünde verglichen mit der Sünde jener, die Christum töteten; weil beide sündigen gegen den Leib Christi. Weil aber die letzteren sündigten gegen den Leib Christi in dessen eigener Gestalt betrachtet, ist ihre Sünde dem Umfange nach bedeutend schwerer wie die jener, die gegen den Leib Christi sündigen unter der sakramentalen Gestalt. Zudem geht die Sünde der letzteren nicht aus der Absicht hervor, Christum zu verderben, wie die der ersteren. ll. Der unkeusche, der Christi Leib nimmt, wird mit Judas verglichen gemäß der Ähnlichkeit der Sünde, weil jeder unter einem Zeichen der Liebe Christum beleidigt; dem Umfange nach aber ist, wie oben gesagt, die Sünde des Judas weit schwerer. Und dazu kommt diese Ähnlichkeit ebenso den anderen Sünden zu wie der Unkeuschheit. Denn auch durch die anderen Sünden wird gegen die Liebe Christi gesündigt, deren Zeichen dieses Sakrament ist; und zwar um so mehr, je schwerer die Sünden sind. Insoweit jedoch durch die Unkeuschheit der Geist am meisten dem Fleische Unterthan wird, ist der unkeusche am mindesten geeignet, Christum im Sakramente zu empfangen, insofern dafür die Glut der Liebe erfordert wird. Aber auch nach dieser Seite hin wiegt der Unglaube schwerer, welcher die Seele von Grund auf von Gott trennt und somit am meisten gegen den Zustand selber der Liebe sich wendet und nicht allein gegen die thatsächliche Glut der Liebe Gottes wie die Unkeuschheit. Der Unglaube also macht am meisten ungeeignet für das Empfangen dieses Sakramentes. Und deshalb sündigt ein ungläubiger, der dieses Sakrament empfängt, schwerer, wie ein sündiger gläubiger. Er verachtet in höherem Grade Christum, weil er schon vornherein gar nicht an dessen Gegenwart glaubt; und somit vermindert er, soweit es auf ihn ankommt, die Heiligkeit dieses Sakramentes und die Kraft Christi, der in demselben wirkt; was nichts Anderes ist als das Sakrament selbst in ihm selbst verachten. Der gläubige aber, der es im Stande der Todsünde nimmt, verachtet nicht das Sakrament im Sakramente selbst, sondern mit Rücksicht auf dessen Gebrauch, weil er es unwürdig empfängt. Und deshalb drückt den inneren Charakter dieser Sünde derApostel (1. Kor. 11.) mit den Worten aus: „Er unterscheidet nicht den Leib des Herrn“ d. h. er unterscheidet denselben nicht von anderen Speisen was jener im höchsten Grade thut, der nicht glaubt, Christus sei in diesem Sakramente gegenwärtig. III. Wer den Leib des Herrn in den Kot würfe, würde weit schwerer sündigen wie jener, der ihn unwürdig empfängt. Denn 1. hat er damit die Absicht, dieses Sakrament selber direkt zu beleidigen, welche der Sünder, der es im Stande der Todsünde empfängt, nicht hat; — 2. ist der Sünder immerhin fähig, Gnade zu erhalten; was von einer vernunftlosen Kreatur nicht gesagt werden kann, die somit nicht im mindesten von ihrer Natur aus fähig ist, dieses Sakrament zu empfangen. Also wäre dies die allergrößte Unehrerbietigkeit gegenüber diesem Sakramente, es den Hunden vorwerfen oder ähnlich behandeln zu wollen.
