Sechster Artikel. Die Frage, ob der Priester dem Sünder das heilige Sakrament verweigern darf.
a) Er darf es nicht geben, wenn der Sünder es fordert. Denn: I. Der Herr gebot (Matth. 6, 7.): „Gebet das Heilige nicht den Hunden“ d. h. den Sündern. Also weder um Ärgernis zu vermeiden noch um den gutm Ruf jemandes zu bewahren, darf dieses Sakrament den Sündern gegeben werden. II. Von zwei Übeln ist das mindere zu wählen. Ein minderes Übel aber ist es, wenn jemand in schlechten Ruf kommt oder ihm eine unkonsekrierte Hostie gegeben wird, als wenn er dadurch daß er dieses Sakrament empfängt schwer sündigt. III. Der Leib Christi wird bisweilen denen gegeben, die eines Verbrechens verdächtig sind, um sich vom Verdachte zu reinigen. Denn decret. 2. q. 5. c. 23. wird gelesen: „Es kommt oft vor, daß in den Klöstern Diebstähle begangen werden. Deshalb bestimmen wir, daß, wenn unter den Brüdern selber sich welche vom entsprechenden Verdachte zu reinigen haben, der Abt oder ein von diesem bestimmter die heilige Messe feiere in Gegenwart der Brüder, und daß am Ende der Messe alle kommunizieren unter diesen Worten: „Der Leib Christi sei mir heute anstatt Prüfung.“ Und c. 26.: „Wenn dem Bischöfe oder dem Priester ein Werk der Zauberei zugeschrieben wird, soll er die Messe feiern und so sich unschuldig zeigen.“ Die geheimen Sünder aber soll man nicht offenbar machen; denn „haben sie einmal die Schamröte verloren, so sündigen sie mit mehr Frechheit“ (Aug. de verb. dom. serm. 16.). Also darf man den geheimen Sündern nicht den Leib Christi geben, wenn sie auch darum bitten. Auf der anderen Seite erklärtAugustin zu Ps. 21. (manducaverunt): „Der Verwalter hindere es nicht, daß die Fetten der Erde, d. h. die Sünder, am Tische des Herrn essen“ (cap. 67. de consecr. dist. 2.).
b) Ich antworte: 1. Sind die Sünder öffentliche, allen bekannte, wie öffentliche Wucherer, öffentliche Mädchenräuber oder solche, die durch öffentliches kirchliches oder weltliches Gericht als dergleichen Sünder hingestellt worden; so darf ihnen, wenn sie darum bitten, die Kommunion nicht gereicht werden. Deshalb sagt Cyprian (ep. 10.): „Deine Liebehat geglaubt, mich um Rat angehen zu sollen, ob jenem Schauspieler und jenem Schwarzkünstler, der unter euch befindlich noch in der Schändlichkeit seiner Kraft verharrt, die heilige Kommunion wie allen übrigen gegeben werden darf? Ich bin der Überzeugung, weder der Majestät Gottes noch der Zucht des Evangeliums komme es zu, daß die Schamhaftigkeit und die Ehre der Kirche mit solch schändlichem und schimpflichem Flecken verunziert werde.“ 2. Sind jene Sünder aber keine öffentlich bekannten, so darf ihnen die heilige Kommunion nicht verweigert werden, wenn sie darum bitten. Denn da jeder Christ kraft seiner Taufe zugelassen ist zur Tafel des Herrn, so kann ihm sein Recht nur genomnien werden auf Grund einer allen bekannten Ursache. Deshalb erklärt zu 1. Kor. 5. (Si is qui frater) die Glosse Augustins: „Wir können keinen hindern, an der Kommunion teilzunehmen, der nicht entweder auf Grund eines Selbstbekenntnisses oder auf Grund eines kirchlichen oder weltlichen Gerichtsurteils mit seinem Namen, und nachdem er überwiesen worden, bereits von der Gemeinschaft der gläubigen und somit von der Kommunion ausgeschlossen ist.“ Der Priester aber, der das verborgene Verbrechen des betreffenden kennt, kann insgeheim diesen Sünder selbst oder öffentlich im allgemeinen alle ermahnen, daß sie, ehe sie zum Tische des Herrn treten, zuvor ihre Sünden bereuen und mit der Kirche sich aussöhnen. Denn auch wenn die öffentlichen Sünder ihre Sünden bereut und mit der Kirche sich ausgesöhnt haben, so ist ihnen die Kommunion nicht zu verweigern, zumal beim Tode. Deshalb heißt es im Konzil von Karthago (III. can. 35.): „Theaterpersonen und Seiltänzern u. dgl. oder den abgefallenen darf die Kommunion nicht verweigert werden, wenn sie mit Gott sich ausgesöhnt haben.“
c) I. Öffentlichen Sündern darf die Kommunion nicht gegeben werden; die geheimen, wenn fie die Kommunion fordern, sind dem Richterstuhle Gottes zu überlassen. II. Freilich ist es schlimmer für den Sünder, im Stande der Todsünde das Sakrament zu nehmen wie in schlechten Ruf zu kommen. Für den Priester aber ist es besser, die Kommunion demselben zu geben als selber eine Todsünde zu begehen dadurch daß er den betreffenden Sünder in schlechten Ruf bringt. Denn keiner darf eine Todsünde begehen, damit er dem anderen eine Todsünde erspare: „Eine höchst gefahrvolle Entgeltung ist es,“ sagt Augustin (Qq. sup. Gen. 42.), „daß wir etwa Böses thun, damit ein anderer nicht eine größere Sünde begehe.“ Eine unkonsekrierte Hostie nun darf in keinem Falle gegeben werden. Thäte ein Priester nämlich dies, so würde er, soweit es auf ihn ankommt, die Urfache sein, daß andere, die zugegen sind, oder doch der Empfänger selbst Götzendienst üben; denn „niemand nehme den Leib Christi, ehe er angebetet hat,“ sagt Augustin zu Ps. 148. (vgl. extra de celebrat. misssr. cap. de homine); wonach derjenige noch schwerer Gott beleidigt, der trügerischerweise (fraudulenter) eine Hostie giebt als der sie im Stande der Sünde unwürdig nimmt. III. Jene Dekrete sind von den römischen Päpsten als ungültig erklärt: „Durch glühendes Eisen oder heißes Wasier ein Bekenntnis herauspressen von irgend jemanden, das verbieten die heiligen Kanones. Freiwillig soll man die begangenen öffentlichen Verbrechen bekennen oder sie sollen unter Vorführung von Zeugen unserem Richterspruche unterbreitet werden. Was geheim und unbekannt ist, möge Gott richten, der die Herzen der Menschen kennt;“ sagt Papst Stephan (cit. ab Alex. III. ep. 19.);vgl. extra de purgat. cap. Ex tuarum. In allem diesem liegt eine Versuchung Gottes und kann somit es nicht geschehen ohne Sünde. Und hier beim Sakramente träte noch hinzu, daß in demselben, das da als Heilmittel dastehen soll, man das Todesurteil fände. Auf solche Weise darf, um nämlich zu prüfen, Christi Leib nicht gegeben werden.
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