Zweiter Artikel. Christus hat dem Judas seinen Leib gereicht.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Matth. 36.: „Ich werde nicht mehr trinken von diesem Gewächse des Weinstockes bis ich trinken werde mit euch das neue im Reiche des Vaters.“ Danach also hat Er nur denen sein Fleisch und Blut gereicht, mit welchen Er herrschen wollte im Reiche des Vaters. II. Matth. 8.: „Gebet das Heilige nicht den Hunden.“ Danach mußte der Herr zuerst damit anfangen, den Sündern die Kommunion nicht zu reichen (Act. l, l.). III. Christus hat nach Joh. 13. ein Stück Brot eingetaucht und es dem Judas gegeben. Damit also scheint Er ihm seinen Leib gereicht zu haben, zumal „nachdem Judas genossen, der Satan in Judas eintrat“, wozu Augustin erklärt (62. in Joan.): „Hier sehen wir, wie wir uns in acht nehmen müssen, das Gute schlecht zu empfangen. Denn wenn bestraft wird jener, der nicht unterscheidet den Leib des Herrn von den anderen Speisen, wie soll jener nicht verdammt werden, der zu seiner Tafel äußerlich als Freund herantritt, während er doch im Innern sein Feind ist.“ Mit diesem Stücke Brot aber empfing Judas nicht den Leib des Herrn,wie Augustin zu Joh. 13. (l. c.) bemerkt: „Manche meinen, weil sie nachlässig lesen, daß Judas damals, als er das eingetauchte Stück Brot empfing, den Leib des Herrn erhielt.“ Auf der anderen Seite erklärt Chrysostomus (hom. 83. in Matth.): „Judas hat teilgenommen an den heiligen Mysterien und ward nicht bekehrt. Deshalb wird sein Verbrechen um so ungeheuerlicher; weil er nämlich mit solchem Gewissen dem Mysterium nahetritt und weil er dadurch selber nicht besser geworden ist. Weder die Furcht noch die Wohlthat noch die Ehre rührte ihn.“
b) Ich antworte, nach Hilarius (in Matth. c. 30.) habe Christus seinen Leib dem Judas nicht gegeben. Und dies wäre in der Ordnung gewesen, wenn die Bosheit des Judas erwogen wird. Weil aber Christus das Beispiel der Gerechtigkeit geben wollte, war es nicht zukömmlich, daß Er einen geheimen Sünder ohne Ankläger und ohne vor Zeugen oder sonst wie festgestellte Schuld von der Kommunion vor den anderen ausschloß; damit daran die Vorsteher der Kirche nicht ein Beispiel nähmen, ebenso zu handeln, und Judas nicht erbittert darin eine Gelegenheit erblickte, zu sündigen. Deshalb muß man mit Dionysius (de eccl. hier. 3.) und Augustin (62. in Joan.) sagen, Judas habe den Leib des Herrn empfangen.
c) I. Dies ist der Grund des Hilarius. Es ist aber kein zwingender. Denn Christus sprach da zu den Jüngern, nachdem Judas sich von ihnen getrennt. Und dabei hatte Christus ihn nicht hinausgewiesen; Judas selber hat dieses Gastmahl vernachlässigt, das Christus, an sich betrachtet, auch für Judas bereitet hatte und mit ihm hielt. II. Christus als Gott kannte die Bosheit des Judas; nicht aber war sie Ihm als Mensch auf Grund von Zeugnissen oder offenbaren Thatsachen bekannt. Christus lehrte hiermit, man solle geheimen Sündern die Kommunion reichen, wenn sie dieselbe fordern. III. Ohne allen Zweifel aß Judas in diesem eingetauchten Stück Brot nur einfaches Brot. „Vielleicht wird,“ so Augustin (l. c.), „dadurch bezeichnet die Verstellung des Judas; damit man nämlich Dinge mit etwas Anderem umgiebt, werden sie eingetaucht. Bezeichnet aber dieses Eintauchen etwas Gutes (nämlich die Süßigkeit der göttlichen Güte, weil das Brot infolge des Eintauchens schmackhafter wird), so ist demjenigen, der für dieses Gute undankbar war, mit Recht die Verdammnis gefolgt.“ Und wegen dieser Undankbarkeit ist das, was ein Gut war, dem Judas ein Übel geworden, wie es denen begegnet, die unwürdig den Leib Christi nehmen. „Es ist also zu verstehen, daß der Herr schon vorher das Sakrament seines Leibes und Blutes allen seinen Jüngern gegeben hatte, wo auch Judas darunter war, wie Lukas erzählt; und darauf kam man dazu, daß der Herr durch das Eintauchen des Stückes Brot und durch das Darbieten an Judas den Verräter andeutete.“
