Fünfter Artikel. Das Princip der Buße ist die Furcht.
a) Ein solches Princip hat die Buße nicht. Denn: I. Vom Mißfallen an den Sünden beginnt die Buße. Dies aber gehört zur Liebe. II. Zur Buße werden aufgestachelt die Menschen durch die Erwartung des Himmelreichs, nach Matth. 3.: „Thuet Buße; denn es hat sich genaht das Himmelreich.“ Dieses aber ist Gegenstand der Hoffnung. III. Die Furcht ist ein innerlicher vom Menschen ausgehender Akt. Die Buße aber kommt vom Einwirken Gottes in uns, nach Jerem. 31.: „Nachdem du mich bekehrt hast, habe ich Buße gethan.“ Also kommt die Buße nicht von der Furcht. Auf der anderen Seite sagt Isaias (26, 17.): „Wie die Frau, die empfangen hat, wenn die Zeit der Geburt kommt, schreit in ihren Schmerzen, so sind wir geworden;“ nämlich durch die Buße. Und darauf folgt: „Von Deiner Furcht her haben wir empfangen und beinahe sind wir wie gebärende und wir haben geboren den Geist des Heiles“ (LXX); nämlich der heilsamen Buße. Also kommt die Buße von der Furcht.
b) Ich antworte, die Buße, 1. als Zustand betrachtet, werde uns eingegossen von Gott, ohne daß wir thatsächlich mitwirken; wohl aber wirken wir mit, indem wir diesen Zustand vorbereiten durch einzelne Akte. Sprechen wir aber von der Buße 2. als von jenen Akten, kraft deren wir mit der an erster Stelle einwirkenden Gnade Gottes mitwirken; so ist da der erste Akt und das Princip aller anderen der Gottes, welcher das Herz bekehrt, nach Thren. ult.: „Bekehre uns, Herr, zu Dir; und wir werden uns bekehren;“ der zweite Akt ist der des Glaubens; der dritte der der knechtischen Furcht, durch die jemand wegen der Furcht vor Strafen von Sünden zurückgezogen wird; der vierte ist der Akt der Hoffnung, kraft deren in der Hoffnung, Verzeihung zu erhalten, jemand sich vornimmt, sich zu bessern; der fünfte ist der Akt der Liebe, kraft deren die Sünde an sich mißfällt und nicht wegen der Strafe; der sechste ist der der kindlichen Furcht, kraft deren aus Ehrfurcht vor Gott jemand freiwillig Gott Genugthuung anträgt.
c) I. Der Akt der Reue oder Buße geht zuvörderst aus von der knechtischen Furcht als der ersten Thätigkeit, die Beziehung hat zur Buße; die kindliche Furcht ist das nächste und unmittelbare Princip der Reue. Wegen der damit verbundenen Strafen nämlich mißfällt zuerst dem Sünder die Sünde; und nicht wegen der damit verbundenen Beleidigung Gottes oder der Häßlichkeit der Sünde, was zur Liebe gehören würde. II. Unter dem Himmelreiche, das sich naht, wird verstanden die Ankunft des Königs, der nicht nur belohnt, sondern auch straft. Deshalbpredigte Johannes, der Täufer (Matth. 3, 7.): „Viperngeschlecht; wer hat euch gelehrt, zu fliehen vor dem kommenden Zorne?“ III. Auch die Bewegung im Akte der Furcht geht aus von dem Einwirken Gottes, der das Herz bewegt. Deshalb heißt es Deut. 5, 29.: „Wer soll es ihnen geben, einen solchen Geist zu haben, daß sie mich fürchten?“ Dadurch also daß die Reue oder Buße von der Furcht ausgeht, ist nicht ausgeschlossen, daß sie von dem Einwirken Gottes ausgeht, der das Herz bewegt.
