Zweiter Artikel. Nicht ein und derselbe formlose Stoff liegt allem Körperlichen zu Grunde.
a) Dagegen sagt: I. Augustin (12. Conf. cap. 12.): „Zwei Dinge finde ich, die Du gemacht hast: Das eine (die reine Geistsubstanz) war geformt, das andere formlos.“ Und mit dem letzteren bezeichnet er, wie er selbst sagt, den Stoff in allem Körperlichen. II. „Welche Dinge eins sind in der „Art“, sind eins dem Stoffe nach,“ sagt Aristoteles. (5 Metaph.) Alle körperlichen Dinge aber sind eins in der „Art“ des Körperlichen. Also haben sie auch alle ein und denselben Stoff. III. Alles Körperliche hat eine einzige Form, nämlich die Körperlichkeit. Also ist auch da nur ein und derselbe Stoff. IV. Der Stoff an sich ist nur im Zustande des Vermögens, etwas zu werden. Alle Verschiedenheit kommt von der Form. Also ist in allem Körperlichen an sich nur ein Stoff. Auf der anderen Seite gehen die Dinge, welche im Stoffe übereinkommen, in einander über, sie wirken auf einander ein, geben und empfangen gegenseitig; wie (1. de Gen.) Aristoteles sagt. Die Himmelskörper aber und die niedrigeren verhalten sich nicht gegenseitig in dieser Weise. Also ist ihnen nicht die Natur des Stoffes gemeinsam.
b) Ich antworte, betreffs dieses Punktes seien die Meinungen der Philosophen verschieden gewesen. Denn Plato nahm mit den Philosophen vor Aristoteles an, alle Körper seien aus den vier Elementen zusammengesetzt. Und da den vier Elementen ganz und gar dieselbe Natur des Stoffes innewohnt, wie das wechselseitige Übergehen ineinander, das gegenseitige Entstehen und Vergehen zeigt, so lag nach Plato auch nur ein einiger Stoff allen Körpern zu Grunde. Daß aber einzelne Körper unvergänglich sind und dem Erzeugtwerden und Vergehen nicht ausgesetzt; das schrieb Plato dem Willen des Weltbaumeisters allein zu, der da sprach (Timaeus im Anfange): „Nach euerer Natur seid ihr auflösbar, nach meinem Willen aber unauflösbar; mein Wille ist höher wie euere Zusammensetzung.“ Diese Annahme aber verwirft Aristoteles (1. de coelo et mundo) auf Grund der natürlichen Bewegung der Körper. Denn da der Himmelskörper eine natürliche Bewegung hat, welche von der natürlichen Bewegung der Elemente sich unterscheidet, so folgt, daß auch die Natur selbst in beiden eine verschiedene sei. Und gleichwie die Bewegung im Kreise, welche den Himmelskörpern eignet, des Gegensatzes in sich ermangelt, die Bewegungen aber der Elemente einander entgegengesetzt sind, wie das eine nach oben hin in Bewegung ist, das andere nach unten; so besteht die Natur des Himmelskörpers ohne inneren Gegensatz der Teile, die aus den Elementen zusammengesetzten Körper aber bestehen mit dem Gegensatze in ihrer Natur. Und da weiter das Entstehen und Vergehen nur eine natürliche Folge des in der Zusammensetzung der Natur herrschenden Gegensatzes ist, so ergiebt sich, daß die Himmelskörper unvergänglich sind; die Elementarkörper aber dem natürlichen Entstehen und Vergehen unterworfen, je nachdem eines unter den zusammensetzenden Elementen mehr und mehr überwiegt. Trotzdem nahm Avicebron einen gemeinsamen Stoff an, weil sowohl die Himmels- wie die Elementarkörper eben die eine Form des Körperlichen ihrer Natur nach hätten. Und zwar müßte dies mit Notwendigkeit gesagt werden, wenn die Form der Körperlichkeit eine für sich seiende substantiale Form wäre, zu der alle übrigen Formen, wie das Steinsein, Pflanzensein, Menschsein nur hinzuträten; gleichwie die Weisheit hinzutritt zum Menschen. Und dann wäre nach dieser Form der Körperlichkeit jeder Körper unvergänglich; ein Vergehen würde nur gemäß den hinzutretenden Eigenschaften ermöglicht. Die Pflanze würde nicht an und für sich vergehen, sondern ihre Substanz, der Körper, würde bleiben und nur eine andere Eigenschaft, nämlich die von bloßem Holz erhalten. Denn was dem Mangel der Pflanzenform zu Grunde läge, das wäre kein bloßes Vermögen, etwas zu werden, sondern ein thatsächlich gemäß seiner Substanz bestehendes Sein. Es würde diese Meinung zusammenfallen mit jener der alten Naturphilosophen, die einen Körper, wie Feuer, Wasser etc. allem zu Grunde legten. Bleibt aber z. B. vom Samenkorn thatsächlich nichts zurück der Substanz nach, was dem Entstehen der Pflanze zu Grunde läge; sondern ist im allgemeinen der gemeinsame Träger der Erzeugung und des Vergehens nur das reine Vermögen, um etwas zu werden; bleibt somit vom Samenkorn z. B. nur das Vermögen zurück, Pflanze zu werden und sonst kein thatsächliches Sein; ist es also die Natur des Stoffes, nur im Vermögen für die Aufnahme einer Wesensform zu bestehen; — so ist es ganz unmöglich, daß die vergänglichen und die unvergänglichen Körper einen gemeinsamen Stoff haben. Denn es ist notwendig, daß der Stoff an sich im Vermögen bestehe für die Aufnahme aller jener Wesensformen, denen der Stoff gemeinsam ist. Durch die eine Form aber gewinnt der Stoff thatsächliches Sein nur mit Rücksicht auf diese eine Form. Durch die Wesensform „Mensch“ wird der Stoff eben thatsächlich nur Mensch. Er bleibt also im Zustande des Vermögens für alle übrigen Formen, denen der Stoff gemeinsam ist; wie der Stoff im Menschen das Vermögen behält, Staub zu werden. Und dabei macht es nichts aus, ob die eine solcher Wesensformen vollendeter ist wie die andere und somit der Kraft nach andere in sich enthält, wie die Wesensform „Mensch“ in sich enthält die Kräfte der Pflanzen- und Tierseele. Denn das Vermögen an sich betrachtet ohne Verbindung mit einer Form verhält sich gleichmäßig zum Vollkommenen und Unvollkommenen; wie das Auge zum Weißen und zum Schwarzen. Wenn also es unter der einen vollendeteren Form ist, so bleibt es Vermögen für die andere unvollkommene und umgekehrt. Sonach würde der Stoff im unvergänglichen Körper noch immer im Zustande des Vermögens sein für die Form des vergänglichen Körpers. Er würde seiner Natur nach unvergänglich sein und doch das Vermögen haben, vergänglich zu werden. Darin besteht aber gerade die Natur des Vergänglichen, daß der Stoff da eine Form thatsächlich hat und zugleich dem Vermögen nach einer anderen ermangelt. Das ist der innere Grund, weshalb das Vergängliche von einer Form zur anderen übergeht. Das Vermögen im Dinge ist da im Gegensatze zur thatsächlich waltenden Form. Jede thatsächlich waltende Form besteht zusammen mit dem Mangel einer anderen, die der Stoff haben könnte. Hier liegt der treibende Grund zum Entstehen und Vergehen in den Elementarkörpern. Würde also ein gemeinsamer Stoff sein für die unvergänglichen Körper und für die vergänglichen, so würde eben notwendigerweise dieser Unterschied nicht mehr bestehen. Da aber gerade die Beständigleit und Regelmäßigkeit im Wechsel hier unten von der unverrückbaren Unvergänglichkeit der Himmelskörper und ihrer Bewegungen kommt, so wäre damit auch der Wechsel selber zusammen mit der ihn leitenden Regel unmöglich gemacht. Es muß jedoch auch der Irrtum des Averroës vermieden werden, als ob nämlich in den Himmelskörpern nur ein stoffliches Vermögen für den verschiedenen Ort sei und nicht für das substantielle Sein selber; so daß also die Substanz oder Wesensform derselben eine stofflose Vernunftkraft wäre, was wir einen Engel nennen; daß sonach in der nämlichen Weise mit ihnen eine solche Vernunftkraft verbunden wäre wie bei uns etwa die Seele, wenn auch nur als Beweger; und daß diese bewegende Kraft somit an die Stelle der Wesensform träte. Das ist ganz unmöglich. Denn man kann kein thatsächlich bestehendes Sein annehmen, ohne daß entweder dieses selbst die Wesensform sei oder doch eine Wesensform habe und so vermittelst dieser Wesensform Sein besitze. Würde aber hier durch die Vernunft die stofflos existierende reine Verstandeskraft als Beweger vom Himmelskörper entfernt, so würde entweder folgen, daß derselbe eine Wesensform hat — und das ist ebensoviel als zusammengesetzt sein aus der Wesensform und dem Träger oder Subjekt derselben, d. h. aus Form und Stoff —; oder daß der Himmelskörper ganz und gar Form und Thätigkeit ist. Was aber so ist, nämlich ganz und gar Form und Thätigkeit, das ist rein vernünftig und nicht mehr sinnlich wahrnehmbar. Denn was rein Wesenheit ist, ist Gegenstand der Vernunft. Dies kann aber vom Himmelskörper nicht gesagt werden. Es erübrigt also nur, daß der Stoff des Himmelskörpers an sich betrachtet, nur Vermögen hat für jene Wesensform, die er hat und keineswegs für eine andere; daß sonach sein Vermögen durch die betreffende Form ganz und gar erschöpft ist. Endlich kommt es hier nicht darauf an, was diese Form an sich ist, ob sie Seele genannt werden soll oder nicht. So vollendet demgemäß diese Form den Stoff, daß in diesem kein Vermögen für ein anderes Sein mehr übrig bleibt, wie im Menschen das Vermögen bleibt, Staub zu werden; sondern nur das Vermögen, einen verschiedenen Ort einzunehmen. Der Stoff hat somit in den Himmelskörpern nicht dieselbe Natur wie bei uns; gemeinsam ist nur, daß der beiderseitige Stoff wesentlich Vermögen ist.
c) I. Augustin folgt hier dem Plato, der eine fünfte Art Stoff außerhalb der vier Elemente nicht will. II. Die Gemeinsamkeit in der Art ist für alles Körperliche nur eine logische, weil der Körperlichkeit ein und dieselbe Auffassung der Vernunft entspricht. Physisch ist die Art keine gemeinsame; denn im Vergänglichen ist eine andere Weise des Vermögens wie im Unvergänglichen. III. Die Körperlichkeit ist keine eigene Form; sondern durch ihre besonderen zum Stoffe hinzutretenden Formen unterscheiden sich wesentlich die Körper. IV. Jedes Vermögen besteht nur kraft seiner Beziehung zum Thätigsein. Und nach der Verschiedenheit des Thätigseins richtet sich die Verschiedenheit in den Vermögen; wie das Gesicht zur Farbe allein Beziehung hat, das Ohr bloß zum Ton. Der Stoff in den Himmelskörpern aber hat nicht das Vermögen, ein irdisches Element zu werden; es liegt im Monde z. B. nicht das Vermögen dazu, Wasser oder dergleichen zu werden. Also ist der Stoff seiner Natur nach ein verschiedener.
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