Erster Artikel. Die Vollendung der göttlichm Werke wird mit Recht dem siebenten Tage zugeschrieben.
a) Dem widerspricht: I. Alles, was hier in der Welt geschieht, gehört zu den Werken Gottes. Die Vollendung der Welt aber wird an ihrem Ende sein. Zudem wird auch die Zeit der Menschwerdung Christi „die Fülle der Zeiten“ genannt; und ebenso sagt der Herr am Kreuze: „Es ist vollbracht.“ Mit Unrecht also heißt es vom siebenten Tage, daß in ihm die Werke Gottes vollendet wurden. II. Wer sein Werk vollendet, thut etwas. Gott aber ruhte am siebenten Tage. III. Nach dem siebenten Tage ist noch vieles gemacht worden, wie die Hervorbringung so vieler Einzeldinge, oder auch neuer Gattungen, zudem in den Tieren, die aus Fäulnis entstehen oder auch die Schaffung neuer menschlicher Seelen. Neu war zudem das Werk der Menschwerdung, weshalb Jeremias (31, 22.) sagt: „Neues wird Gott thun auf Erden. “Neu sind so viele Wunderwerke, von welchen Ekkli. (33, 6.) spricht: „Erneuere die Zeichen; mache anderes Wunderbare.“ Neu wird alles werden nach der Auferstehung des Fleisches: „Siehe, neu will ich machen alles;“ heißt es Apok. 21, 5. Also war am siebenten Tage nicht die Vollendung der Werke Gottes anzusetzen. Auf der anderen Seite sagt Gen. 2, 2.: „Vollendet hat Gott sein Werk am siebenten Tage.“
b) Ich antworte, in doppelter Weise könne man von einer Vollendung sprechen. Einmal wird das Ding gemäß seiner Substanz und in seinen Teilen vollendet, so daß es nun thätig sein kann. Dann ist eine andere Vollendung die Erreichung des Zweckes; wie dies z. B. die Thätigkeit ist, wonach der Zweck des Zitherspielers darin besteht, Zither zu spielen; oder es ist etwas, wozu man durch die Thätigkeit gelangt, wie der Zweck des Baumeisters das Haus ist, das er macht. Die erste Vollendung nun ist die Ursache der anderen; wie die Wesensform das Princip des Thätigseins ist. Die zweite Vollendung aber ist die Herrlichkeit der Heiligen und die letzte Verherrlichung der Welt. Die erste Vollendung vollzog sich am siebenten Tage; es ist die Vollständigkeit in den Teilen der Schöpfung.
c) I. Die erste Vollendung ist die Ursache der zweiten. Zur Seligkeit aber ist die Natur und Gnade erforderlich. Die Natur ward nun vollständig am siebenten Tage. Die Gnade ward vollendet durch die Menschwerdung, wie Joh. 1., sagt: „Die Wahrheit und die Gnade ist durch Christum gemacht.“ So also ist am siebenten Tage die Vollendung der Natur; in der Menschwerdung des Herrn die Vollendung der Gnade; am Ende der Welt die Vollendung der Herrlichkeit. II. Am siebenten Tage hat Gott nichts Neues geschaffen, sondern das Geschaffene als sein Gesamtwerk in Thätigkeit gesetzt und somit die zweite Vollendung nach dem Zwecke hin begonnen. Oder es kann gesagt werden; daraus selber, daß Gott keine neuen Kreaturen gründete, ging hervor, daß die Welt vollständig in ihrer Natur vollendet sei; wie die Ruhe zeigt, daß die entsprechende Bewegung zu Ende ist. III. Nichts nachher ist ganz und gar neu geworden; immer ist davon etwas vorhergegangen im Sechstagewerk. Manches bestand vorher bloß demStoffe nach, wie die Rippe, aus welcher Gott die Eva formte. Manche Dinge sind im Sechstagewerk enthalten nicht nur dem Stoffe, sondern auch der Ursache nach, wie die Einzeldinge z. B., die jetzt erzeugt werden, von jener Samenkraft als der Ursache ausgehen, die damals den ersten Dingen gegeben ward. Auch neue Gattungen, wenn es deren giebt, bestandenvorher in einigen wirksamen Kräften, wie die der Sterne und der Elemente es sind; oder es entstehen neue Gattungen von Tieren und Pflanzen aus der Vermischung zweier, die bereits vorhanden waren, wie aus dem Esel und der Stute der Maulesel. Manch andere Dinge wieder gingen vorher und sind im Sechstagewerk enthalten gemäß der Ähnlichkeit, wie z. B. die menschlichen Seelen und wie die Menschwerdung selber; denn so heißt es Philipp. 2, 7.: „Der Sohn Gottes ist ähnlich geworden den Menschen.“ Die körperliche Herrlichkeit ging vorher in den Himmelskörpern, zumal im Feuerhimmel; die geistliche Herrlichkeit in den Engeln; und so sagt mit Recht Ekkle. 1.: „Nichts Neues unter der Sonne, bereits ist es vorangegangen in den Zeiten vor uns.“
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