Zweiundsiebzigstes Kapitel. Der sechste Sag.
a) Die Beschreibung scheint da keine passende zu sein. Denn: I. Vögel und Fische haben so gut eine lebende Seele wie die Tiere des Erdbodens. Letztere werden also mit Unrecht als „lebende Seele“ bezeichnet: „Es erzeuge die Erde die lebende Seele.“ Vielmehr mußte es heißen: „Sie erzeuge Vierfüßler mit lebender Seele.“ II. Die Zug- und wilden Tiere sind auch Vierfüßler. Also werden sie unpassend neben letzteren aufgezählt. III. Beim Menschen geschieht keine Erwähnung von Gattung und „Art“. Also durfte auch nicht bei den Vierfüßlern gesagt werden: „in ihrer Art“. Denn der Mensch wie diese sind inbegriffen in einer bestimmten Art. IV. Die Tiere des Erdbodens sind dem Menschen ähnlicher wie die Vögel und Fische. Diese aber wurden vom Schöpfer gesegnet; also mußte dies auch bei den ersteren statthaben. V. Manche Tiere entstehen aus der Fäulnis. Fäulnis aber kommt nicht der ersten Gründung der Dinge zu. Also durften sie nicht in der ersten Einrichtung der Dinge hervorgebracht werden. VI. Manche Tiere sind giftig und dem Menschen schädlich. Also durften sie nicht vor der Sünde von Gott gemacht werden oder überhaupt nicht; — jedenfalls nicht in der ersten Bildung der Dinge. Auf der anderen Seite steht die Schrift.
b) Ich antworte, daß am sechsten Tage die Erde geschmückt wird, und dies entspricht dem Werke des dritten Tages; weshalb an beiden Tagen die Erde erwähnt wird. Hier meint nun Augustin (l. c.) wieder, die Tiere des Erdbodens seien nur der in die Erde gelegten Kraft nach hervorgebracht worden; die anderen jedoch nehmen an, auch in ihrem thatsächlichen Sein seien sie entstanden.
c) 1. Basilius sagt (Hom. 8. in Hexaëm.), man könne die verschiedenen Stufen des Lebens aus der Sprachweise der heiligen Schrift erkennen. Denn die Pflanzen haben ein den Sinnen verborgenes Leben. Deshalb geschieht bei ihnen des Lebens keine Erwähnung; sondern nur der Zeugung und Fortpflanzung, worin allein ihr Leben sich offenbart. Die Nährkräfte und das Wachstum, sagt Aristoteles, dienen der Fortpflanzung. Die Landtiere aber sind vollkommener wie die Vögel und Fische; nicht als ob, wie Basilius meint (l. c.), die Fische des Gedächtnisses entbehrten, das mißbilligt bereits Augustin (3. sup. Gen. ad litt. 8.); sondern wegen der im Ganzen größeren Ausbildung ihrer Organe und der Vollendung ihrer Art und Weise zu zeugen. Soweit es auf einzelne Fertigkeiten ankommt, finden sich diese allerdings in höherem Grade manchmal in unvollkommeneren Tieren, wie in Bienen und Ameisen. Deshalb nennt Moses die Landtiere „lebende Wesen“ oder „lebende Seelen“ wegen der Vollendung des Lebens in ihnen; die Fische aber nennt er „das Kriechende, was Anteil hat an der lebenden Seele“; denn ihre Seele ist nicht so Herr des Körpers und seiner Bewegungen, sondern sie haben gleichsam nur etwas von Seele in sich. Das vollkommenste Leben ist im Menschen; und deshalb wird der Mensch nicht aus dem Wasser oder aus der Erde hervorgebracht, sondern Gott giebt ihm unmittelbar das Leben. II. Unter Zug- und in Herden lebenden Tieren sind die Haustiere verstanden; unter den wilden Tieren die ungezähmten; unter den kriechenden solche, die keine Beine haben wie die Schlangen; und da es noch andere giebt, die in diese Klassifizierung nicht passen, fügt er hinzu Vierfüßler, wie Hirsche etc. Oder er versteht unter Vierfüßlern die allgemeine Gattung und unter den anderen die Unterabteilungen. III. Bei Pflanzen und Tieren erwähnt er Art und Gattung, um zu bezeichnen, daß Ähnliches von Ähnlichem ausgeht. Der Mensch aber ist nur eine Gattung; also versteht sich das von selbst. Oder er wollte nichts davon sagen, weil im Menschen die Hauptsache ist das Bild und die Ähnlichkeit Gottes. IV. Da Gott die Vögel und Fische gesegnet und damit ihnen die Kraft gegeben hatte sich zu vervielfältigen, so verstand sich das für die anderen Tiere von selbst. Beim Menschen wird dies wiederholt; entweder weil dessen Vermehrung dazu dient, die Zahl der Auserwählten zu ergänzen oder damit man nicht sage, in der Erzeugung der Kinder sei Sünde. Die Pflanzen erzeugen in niedrigster Weise; und deshalb werden sie nicht besonders gesegnet. V. Das Vergehen des einen ist das Entstehen des anderen. Daß also aus der Fäulnis niedriger Dinge höhere Dinge entstehen, widerstrebt nicht der ersten Gründung der Dinge. VI. Augustin sagt (I. sup. Gen. contra Manichaeas): „Tritt ein Unkundiger in die Werkstätte eines Künstlers, so sieht er da viele Werkzeuge, deren Zweck er nicht kennt; und sehr thöricht ist er, wenn er deshalb meint, dieselben seien überflüssig. Oder wenn jemand unvorsichtig in den Ofen gefallen ist oder sich mit einem scharfen Messer geschnitten hat, so meint er, dies alles sei schädlich. So wagen viele in dieser Welt manches als überflüssig zu verspotten, weil sie dessen Grund nicht kennen. Viele Dinge mögen für unser Haus nicht notwendig sein; das Gesamtbeste jedoch wird dadurch ergänzt und befördert.“ Die giftigen Tiere aber hätten dem Menschen nicht geschadet; weil er fern von der Sünde sich der Dinge dieser Welt nach der Richtschnur der göttlichen Weisheit bedient hätte.
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