Zweiter Artikel. Über Gottes Ruhe am siebenten Tage.
a) Gott scheint nicht geruht zu haben am siebenten Tage. Denn: I. Bei Joh. 5, 17. heißt es: „Mein Vater wirkt bis jetzt und so wirke auch ich.“ II. Ruhe steht im Gegensatze zur Bewegung und zur Arbeit. Gott aber that alles ohne Mühe und ohne in Bewegung zu sein. Also kann Er auch nicht geruht haben. III. Sagt man, dieser Ausdruck: „Gott habe geruht“ bedeutet, Er habe den Menschen ruhen lassen; so müßte man auch den Ausdruck „Gott habe geschaffen oder gethan“ dahin erklären. Er habe den Menschen schaffen oder thun lassen. Auf der anderen Seite steht die Schrift.
b) Ich antworte, die Ruhe stehe allerdings eigentlich der Bewegung gegenüber und somit der Mühe, welche aus der Bewegung folgt. Obgleich nun die Bewegung ursprünglich Körperlichem zukommt, so wird sie doch auch in abgeleiteter Bedeutung von Geistigem ausgesagt und zwar in doppelter Weise: Einmal wird jegliches Wirken als Bewegung bezeichnet; und so wird von der göttlichen Güte gewissermaßen gesagt, sie werde „bewegt“ und „gehe aus“ in die Dinge, soweit sie sich ihnen mitteilt; wie Dionysius sagt (2. de div. nom.). Dann wird das Verlangen nach etwas Bewegung genannt. Und somit wird auch „Ruhe“ in doppelter Weise von rein Geistigem gelten: einmal im Sinne daß man aufhört zu wirken; dann im Sinne, daß das gehabte Verlangen erfüllt ist. Also heißt dies: „Gott habe geruht am siebenten Tage“: 1. Gott habe aufgehört, neue Kreaturen zu bilden; denn was später geschah, ist in verschiedener Weise enthalten in dem, was während der sechs Tage gemacht wurde; — 2. daß Gott der gewirkten Dinge nicht selber bedarf, sondern daß Er im Genusse Seiner selbst selig ist. Deshalb wird nicht gesagt: Er habe in seinen Werken geruht, sondern: Er habe geruht von seinen Werken; natürlich in Sich selbst, da Er Sich selbst genügt und nur nach Sich selbst verlangt. Und wenn Er auch von Ewigkeit in Sich selbst geruht hat; daß Er aber nach der Erschaffung der Welt in Sich ruhte, dies gehört dem siebenten Tage an.
c) I. Gott wirkt bis jetzt, indem Er die Welt erhält und regiert; nicht indem Er neue Kreaturen gründet. II. Ruhe steht gegenüber dem Bilden neuer Kreaturen und dem Verlangen nach anderem Sein, um das gemachte zu erhalten und zu bewahren. III. Wie Gott in Sich selber selig ist, so auch werden wir selig allein durch dm Besitz Gottes. Und so macht Gott, daß wir sowohl von seinen wie von unseren Werken in Ihm uns ausruhen. Sonach ist diese Erklärung auch gut; aber die erste ist die maßgebende und hauptsächliche.
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