Zweiter Artikel. Alle diese Tage zusammen sind nicht ein einziger Tag.
a) Dagegen spricht: I. Gen. 2, 4.: „Dies also ist das Entstehen von Himmel und Erde, als sie geschaffen wurden, am Tage, wo Gott Himmel und Erde schuf und alles Kraut des Ackers, bevor es aufging in der Erde.“ Ein Tag also besteht nur, in dem alles gemacht worden; denn die Kreatur machte Gott am dritten Tage, Himmel und Erde am ersten. Ist aber der erste und der dritte ein einziger Tag, so sind es aus gleichem Grunde alle. II. Eklli. 18, 1. heißt es: „Der da in Ewigkeit lebt, hat alles zugleich gemacht.“ Mehrere Tage aber sind nicht „zugleich“. III. Am siebenten Tage hörte Gott auf zu bilden. Ist also der siebente Tag von den anderen verschieden, so folgt, daß Gott ihn nicht gemacht hat. IV. Alles, was Gott an einem Tage machte, entstand im Augenblicke; wie geschrieben steht: „Er sprach und es wurde.“ Hätte Er also das folgende Werk bis zum nächsten Tage aufbehalten, so würde Er in der Zwischenzeit Nichts gethan haben; und das wäre überflüssig. V. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Genesis. Denn wo ein zweiter, ein dritter Tag etc. gezählt wird, da ist nicht bloß einer.
b) Ich antworte, daß Augustin annimmt, alle diese sieben Tage seien ein Tag; siebenfach dargestellt. Die anderen Erklärer aber meinen, es seien sieben verschiedene Tage gewesen und nicht ein einziger. So groß nun der Meinungsunterschied sein mag, so weit es die Erklärung des Schrifttextes anbetrifft; so ist er doch mit Rücksicht auf die Art und Weise, wie die Dinge hervorgebracht worden sind, nicht so bedeutend. Nach Augustin nämlich wird unter „Tag“ die Kenntnis der Engelvernunft verstanden; und so ist der erste Tag die Kenntnis des ersten Werkes Gottes, der zweite Tag die Kenntnis des zweiten u. s. w. Denn nichts brachte Gott hervor in der körperlichen Natur, was Er nicht zuvor der Engelvernunft als Idee eingeprägt hätte; diese nämlich kann vieles zugleich auffassen, zumal im „Worte“, in welchem alle Engelkenntnis vollendet wird. Und demgemäß wird der Tag vom Tage unterschieden gemäß der natürlichen Abhängigkeit der Dinge voneinander als Erkenntnisgegenstände; nicht aber wegen einer Aufeinanderfolge in der Kenntnis oder in der Hervorbringung. Die Kenntnis aber der Engelvernunft kann gut und recht eigentlich und wahr „Tag“ genannt werden, weil das Licht, die Ursache des Tages, so recht eigentlich im Bereiche des Geistigen gefunden wird. (4. sup. Gen. c. 28.) Nach den Anderen wird der Schrifttext so erklärt, daß darunter die Aufeinanderfolge zeitlicher Tage verstanden wird und die zeitliche Aufeinanderfolge in der Hervorbringung der Dinge. Soweit jedoch die Art und Weise dieser Hervorbringung berücksichtigt wird, ist der Unterschied nicht so groß und zwar aus zwei Gründen. 1. Augustin versteht unter Himmel und Erde, die zuerst geschaffen worden, das durchaus Formlose. Darunter aber daß das Firmament gemacht wird, die Wasser sich sammeln und das Trockene erscheint, versteht er die Einprägung der substantialen Formen in den körperlichen Stoff. Die anderen Erklärer nun verstehen unter dem zuerst Geschaffenen, nämlich unter Himmel und Erde, die Elemente der Welt, insoweit sie in ihrer eigenen Natur bestehen; — und unter den folgenden Werken verstehen sie eine gewisse Scheidung in den früher erschaffenen Körpern. 2. Augustin meint, die Pflanzen und Tiere seien nur der verursachenden Kraft nach in den sechs Tagen geschaffen; insofern den betreffenden Elementen die Kraft mitgeteilt wurde, das alles hervorzubringen. Die Anderen abernehmen an, die Pflanzen und Tiere seien auch gleich thatsächlich in ihremSein und ihrer Natur erschienen. So also hat Augustin eigentlich nur das Eigene, daß er meint, die Werke der sechs Tage seien zugleich geworden; es sei nämlich die Kraft für die entsprechende Entwicklung in alle Elemente zugleich niedergelegt worden. Die Art und Weise der Entwicklung aber ist auf beiden Seiten die gleiche. Denn nach beiden war in der ersten Gründung der Dinge der Stoff unter den Wesensformen der Elemente; und nach beiden Seiten war bei der ersten Gründung der Dinge den Elementen des Stoffes die Kraft mitgeteilt, zur Hervorbringung von Tieren und Pflanzen ihren Teil selbständig beizutragen; nach beiden wiederum trugen die ersten Tiere und Pflanzen den Samen für andere in sich, also trugen sie in sich die einzelnen Pflanzen und Tiere nicht thatsächlich, sondern dem Vermögen, der Kraft nach. Der Unterschied besteht da in vier Punkten. 1. Gemäß den anderen Erklärern war nach der ersten Hervorbringung eine Zeit, wo kein Licht war; 2. es war eine Zeit, wo das Firmament nicht gebildet war; — 3. es war eine Zeit, wo die Erde mit Wasser bedeckt war; — 4. es war eine Zeit, wo die Himmelsleuchten nicht bestanden. Dafür aber besteht keine Notwendigkeit bei Augustin.
c) I. Am Tage, wo Gott Himmel und Erde schuf, machte Er auch alles Kraut des Feldes; nicht zwar nach dem thatsächlichen Sein, sondern Er gründete das Vermögen dazu, „bevor es heraussproßte aus der Erde.“ Augustin schreibt dies dem dritten Tage zu (in der Kenntnis der Engel); die anderen dem ersten und nur, soweit das thatsächliche Sein in Betracht kommt, dem dritten. II. Gott schuf alles zugleich der formlosen Materie nach, in welcher das Vermögen zu allem lag; und der Substanz der Geister nach als der wirkenden Ursachen (unter Gott). Die Formierung aber und der Schmuck ward nicht zugleich; deshalb steht da nicht: „Schaffen“. III. Am siebenten Tage hörte Gott auf, neue Dinge zu machen; nicht aber das einmal Gegründete weiter fortzusetzen, also auch nicht, einen Tag dem anderen nach dem ersten folgen zu lassen. IV. Daß nicht alles zugleich geordnet und geschmückt worden, hat nicht etwa die Ohnmacht Gottes als Grund; sondern es geschah, damit jene Ordnung in den Dingen bereits im Anfange gewahrt würde, die später fortgesetzt und gebraucht werden sollte. V. Augustin versteht die Zahl der Tage von der natürlichen Ordnungin der Auffassung der Natur der Dinge.
