Erster Artikel. Die sechs Tage sind ausreichend und die Aufzählung und Aneinanderreihung derselben ist eine der Sachlage entsprechende.
a) Es scheint nicht, daß diese sechs Tage in gebührender Weise aufgezählt werden. Denn: I. Das Werk des Erschaffens ist ebenso verschieden vom Werke der Scheidung und der substantiellen Vollendung, wie dieses vom Werke der Ausschmückung. Für die beiden letzten Werke aber werden je andere Tage angesetzt. Also mußten auch besondere Tage für das des Erschaffens bestimmt werden. II. Luft und Feuer sind ebenso wertvolle Elemente wie Erde und Wasser. Für die Absonderung der Erde aber ist ein Tag angesetzt und für die Unterscheidung des Wassers ein anderer. Also hätten auch Tage sein müssen für die Scheidung von Luft und Feuer. III. Vögel und Fische sind voneinander nicht minder entfernt wie Vögel und Landtiere; und noch mehr ist der Mensch unterschieden von den Landtieren als die Tiere voneinander. Also hätte für die Vögel, Fische, Landtiere, wie für den Menschen je ein Tag angesetzt werden müssen; und nicht für Vögel und Fische einer, für Landtier und Mensch ein anderer. V. Dagegen ist die Unterscheidung des vierten und ersten Tages unnütz; denn das Licht gehört als Eigenschaft zum Leuchtkörper. Die Eigenschaft aber wird zusammen mit dem Träger derselben hervorgebracht. V. Im siebenten Tage ist nichts eingerichtet worden. Also durfte er nicht mit den anderen aufgezählt werden; da an jedem der sechs Tage etwas Neues gebildet ward.
b) Ich antworte, daß die Ursache für die Unterscheidung dieser Tage oben angegeben worden. (Kap. 70, 71 und 72.) Denn zuerst mußten die Teile der Welt voneinander getrennt und dann ein jeder wie mit seinen Bewohnern geschmückt werden. Nach den anderen Heiligen giebt es also drei Teile in der körperlichen Kreatur: als der erste wird der Himmel bezeichnet, der am ersten Tage geschieden, am vierten geschmückt wird; — als der zweite das Wasser, welches am zweiten geschieden, am fünften Tage geschmückt wird; — und als der dritte und tiefste die Erde, die am dritten Tage geschieden, am sechsten geschmückt wird. Danach wird auch bei den Pythagoräern eine dreifache Abstufung der Vollendung unterschieden: Der Anfang, die Mitte und das Ende. Augustinus aber stimmt mit den anderen überein in den drei letzten; er unterscheidet sich von ihnen in den drei ersten Tagen. Denn nach ihm wird am ersten Tage die geistige Kreatur geformt, in den beiden letzten die körperliche; und zwar sind es am zweiten die höheren Körper, die niedrigeren am dritten Tage. Und so entspricht die Vollendung der Werke Gottes der Vollendung in der Sechszahl. Denn diese entsteht aus ihren Elementen 1, 2, 3; mögen diese addiert oder multipliziert werden, es ergiebt sich immer sechs. 1+2+3=6 und 1x2x3=6. Denn ein Tag dient der Formung und Vollendung der geistigen Natur; zwei Tage der Vollendung der körperlichen; drei Tage der Ausschmückung und so erwächst die Vollendung des Ganzen.
c) I. Nach Augustin erstreckt sich das Erschaffen auf die formlose Geist-Natur und auf den formlosen Stoff. Diese beiden Dinge aber sind außerhalb der Zeit, wie er 12. Conf. 12. sagt. Also sind sie vor jeglichem Tage geschaffen. Nach den anderen vollzieht sich die Unterscheidung und der Schmuck der Kreatur gemäß einer Veränderung, welche durch die Zeit gemessen wird. Das Erschaffen aber ist reines Wirken Gottes, der im Augenblicke den Gegenstand der Erschaffung herstellt. Und deshalb ist das Erschaffen „im Anfange“ geschehen, d. h. in etwas Unteilbarem. II. Luft und Feuer werden mit dem Wasser gerechnet, zumal mit Rücksicht auf den tieferen Teil der Luft; in ihrem höheren Teile werden sie zum „Himmel“ gerechnet. (2. sup. Gen. 13.) Sie sind nicht besonders genannt, weil sie vom Volke nicht besonders wahrgenommen werden alsTeile der Welt. III. Die Hervorbringung der Tiere wird erzählt, insofern sie zum Schmucke der einzelnen Teile dienen; also inwiefern sie nach dieser Seite hin übereinkommen oder sich scheiden, werden sie zusammengestellt oder getrennt. IV. Am ersten Tage ist die Natur des Lichtes in einem Subjekte als dem Träger gemacht worden; am vierten Tage wird das Licht mit gewissen Wirlungen im Bereiche des Körperlichen an die Himmelsleuchten gebunden, welche letztere der Substanz nach auch schon vorher waren. V. Nach Augustin wird dem siebenten Tage etwas zugeschrieben, was nach den sechs Tagen kommt; nämlich daß Gott von seinen Werken in Sich ruht; und deshalb mußte des siebenten Tages erwähnt werden. Nach den anderen Heiligen hatte die Welt am siebenten Tage einen neuen Zustand; nämlich daß nichts mehr von neuem zu ihr hinzugefügt ward. Deshalb wird der siebente Tag angesetzt als der Tag des Aufhörens von neuen Wirkungen.
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