Vierter Artikel. Unter den vermögen der Seele besteht eine gewisse Ordnung.
a) Dagegen spricht: I. Die Vermögen der Seele haben alle durchaus gleichmäßig die natürliche „Art“: Seelenvermögen; unter der sie als Unterabteilungen bestehen, wie Mensch und Tier gleichmäßig Unterabteilungen der „Art“ sinnbegabt sind. Also ist unter ihnen selber keine Ordnung. II. Von seiten der Seele kann unter den Vermögen keine Ordnung hergestellt werden; denn die Seele ist gleichmäßig eine; — ebensowenig von seiten der Gegenstände oder Objekte, die ja wie Farbe und Ton untersich keinerlei Ordnung haben. III. Bestände eine Ordnung, so würde ein Vermögen in seiner Thätigkeit vom anderen abhängen. Das ist aber nicht der Fall; denn das Ohr hört, ohne daß das Auge sieht. Auf der anderen Seite vergleicht Aristoteles (II. de anima) die Vermögen der Seele den verschiedenen Figuren. Die Figuren aber stehen in einer gewissen Ordnung zueinander.
b) Ich antworte; da die Seele eine ist, der Vermögen aber mehrere, von dem Einen aber gemäß einer gewissen Ordnung zum Vielen man gelangt; so muß eine gewisse Ordnung unter den Vermögen der Seele mit Notwendigkeit sein. Eine dreifache Ordnung besteht nun da: Erstens hängt das eine Vermögen vom anderen ab und zwar in zweifacher Weise: zuerst, wie das, was nach seiner Natur vollkommen ist, naturnotwendig früher ist wie das seiner Natur nach Unvollkommene; und nach dieser Seite hin sind die geistigen Vermögen früher als die Sinneskräfte und leiten die letzteren; die Sinneskräfte aber sind wieder früher wie die Kräfte der Nährseele. Dann hängt ein Vermögen vom anderen ab auf dem Wege des Entstehens und so ist umgekehrt das Unvollkommene früher als das Vollkommene. Denn die Nährkräfte sind da früher in Thätigkeit als die Sinneskräfte und bereiten für diese den Körper vor; und ebenso gehen die Sinneskräfte den geistigen in der Thätigkeit vorher. Endlich stehen manche Sinneskräfte zu einander in gewisser Ordnung von seiten des Gegenstandes, wie das Gesicht, das Gehör, der Geruch. Denn auf Grund der Natur ist etwas zuerst sichtbar; und ist das Sichtbare umfassender, weil gemeinsam den niedrigen und höheren Körpern. Der Ton aber wird hörbar nur in der Luft, die da wieder früher ist als die Vermischung der Elemente in den Körpern, welche der Geruch begleitet.
c) I. In den Gattungen von mancher „Art“ wird ein Vorher und Nachher beobachtet rücksichtlich des wirklichen Seins, also Abhängigkeit der einen von den anderen, wie bei den Zahlen und Figuren; wenn sie auch gleichmäßig alle insgesamt ohne Unterschied von der „Art“ ausgesagt werden und umgekehrt. II. Die besagte Ordnung in den Vermögen rührt 1. von der Seele her, welche, obgleich eine im Wesen, doch in einer gewissen Stufenfolge Beziehung hat zu den verschiedenen Thätigkeiten; — und ebenso 2. in gewisser Weise von den Gegenständen und den Thätigkeiten selber. III. Jener Einwurf betrifft bloß die letztgenannte Art Ordnung, die vom Gegenstande kommt. In der Ordnung, die von der Seele herrührt, hängt das eine Vermögen vom anderen ab.
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