Siebenter Artikel. Die örtliche Entfernung hindert nicht die Kenntnis der getrennten Seele.
a) Dem entgegen sagt: I. Augustin (de cura pro c. 13.): „Die Seelen der Verstorbenen sind da, wo sie das, was hier geschieht, nicht wissen können. Sie wissen aber das, was bei ihnen geschieht.“ Also steht die örtliche Entfernung als ein Hindernis dem Erkennen der getrennten Seele entgegen. II. Derselbe (de div. daemonem c. 4. et 5.): „Auf Grund der Schnelligkeit in ihrer Bewegung künden die Dämonen das, was uns noch unbekannt ist.“ Die Schnelligkeit der Bewegung aber würde hier gar nichts zu bedeuten haben, wenn die örtliche Entfernung die Erkenntnis der Dämonen nicht hinderte. Also hindert sie um so mehr die Erkenntnis der Seelen. III. Die Entfernung der Zeit nach ist ein Hindernis für das Erkennen der Seelen; denn sie erkennen nicht das Zukünftige. Ähnlich also verhält es sich mit der Entfernung dem Orte nach. Auf der anderen Seite heißt es Luk. 16.: „Der Reiche erhob in seinen Qualen die Augen und sah in weiter Ferne Abraham.“ Also die örtliche Entfernung ist kein Hindernis für das Erkennen.
b) Ich antworte; einige meinten, die getrennte Seele erkenne da durch die Einzeldinge, daß sie dieselben loslöst vom Sichtbaren. Wenn das wahr wäre, so würde die örtliche Entfernung von Bedeutung sein für die Erkenntnis der Seele. Denn es müßten in diesem Falle die sichtbaren Dinge auf die Seele einwirken oder die Seele auf die sichtbaren Dinge; und für Beides dürfte das Maß einer gewissen bestimmten örtlichen Entfernung nicht überschritten werden. Diese Meinung aber ist unhaltbar; denn um vom Sichtbaren etwas loszulösen, muß die Seele Sinneskräfte haben. Die getrennte Seele erkennt vielmehr die Einzeldinge vermöge des Einflusses göttlichen Lichtes. Dieses aber verhält sich gleichmäßig zum Nahen und Fernen. Also hindert die örtliche Entfernung in keiner Weise die Erkenntnis der Seele.
b) I. Augustin sagt nicht, daß die Seelen deshalb nicht kannten, was hier geschieht, weil die Entfernung das hinderte. Der Grund davon ist ein anderer. (Vgl. Art. 8.) II. Augustin spricht hier in der Meinung jener, welche annahmen, die Dämonen hätten Körper, die mit ihnen naturgemäß verbunden seien. Damit wären dann Sinneskräfte verknüpft und zu deren Erkennen wird erfordert, daß in der örtlichen Entfernung des Gegenstandes ein gewisses Maß beobachtet werde. Diese selbe Meinung berührt er in dem gleichen Buche (c. 3. et 4.) als solche und erzählt von ihr 21. de civ. Dei 10. III. Was der Zeit nach entfernt ist, das hat kein thatsächliches Sein; und deshalb ist es nicht erkennbar, denn nach dem Sein richtet sich die Erkennbarkeit. Was aber örtlich fern ist, das hat thatsächliches Sein. Also besteht keine Analogie.
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