Dritter Artikel. Die menschlichen Seelen sind nicht alle zugleich von Gott geschaffen.
a) Dagegen sagt: I. Gen. 2, 2.: „Es ruhte Gott von allem Werke, das Er geschaffen.“ Also wirkte Er nach dem sechsten Tage nichts mehr. II. Zur Vollendung des All gehören vorzugsweise die geistigen Substanzen. Würden also täglich neue geistige Substanzen geschaffen, so wäre im Anfange das All nicht vollendet gewesen; was gegen Gen. 2, 2. ist: „Gott hat allem Werke die Vollendung gegeben.“ III. Das Ende entspricht dem Anfange. Es bleibt aber nach der Auflösung des Körpers die vernünftige Seele. Also war sie auch vorher. Auf der anderen Seite sagt oer lib. de eccl. dogmatibus cap. 14. et 18.: „Zugleich mit dem Körper wird die Seele geschaffen.“
b) Ich antworte; es meinten einige, die menschliche Seele sei in derselben Lage, wie diejenigen geistigen Substanzen, welche mit dem Körper nicht verbunden werden; und somit sei diese Verbindung für die Seele nur etwas Äußerliches, zu ihrem selbständigen Bestände Hinzutretendes. Diese nahmen an, die menschlichen Seelen seien zugleich mit den Engeln geschaffen. Diese Meinung ist aber falsch. Denn danach wäre das Sein des Menschen nur ein zufälliges, nicht vom inneren Wesen getragenes, wie z. B. das Sein des Weißen an der Mauer es ist; oder der Mensch wäre die Seele, was Beides Kap. 75, Art. 4 zurückgewiesen wurde. Daß zudem die Menschenseele nicht derselben Natur ist wie der Engelgeist, geht schon aus der verschiedenen Art und Weise im Erkennen hervor. (Kap. 84, Art. 7.) Denn der Mensch erkennt dadurch, daß er sich zu den Phantasiebildern wendet. Und deshalb hat die Seele notwendig, mit dem Körper verbunden zu werden, weil sie dessen bedarf für die Thätigkeit der Sinne, was vom Engel nicht gilt. Sodann erhellt das Falsche dieser Meinung aus der Natur der Seele selber. Denn ist es der Natur der Seele gemäß, mit dem Körper verbunden zu sein, so ist es gegen die Natur, ohne Körper zu sein; und so hat sie ohne den Körper nicht die Vollendung ihrer Natur. Gott aber durfte sein Werk nicht mit Unvollkommenheit beginnen; denn die Seele ohne den Körper schaffen, wäre ebensoviel gewesen, wie den Menschen ohne Hand oder Fuß machen. Sagt aber jemand, es sei nicht der Natur der Seele gemäß, mit dem Körper verbunden zu sein, so muß man von dieser Verbindung eine Ursache angeben. Entweder kommt letztere also vom Willen der Seele oder von einer äußeren Ursache. Vom Willen der Seele selber nicht; denn 1. wäre es unvernünftig, einen Körper zu wollen, dessen sie nicht bedürfte; bedarf sie aber desselben, so würde es ihr natürlich sein, mit selbem verbunden zu werden, da die Natur nicht ermangelt, das Notwendige zu geben; — 2. weil kein Grund vorhanden wäre, weshalb die im Anfange geschaffene Seele nach Verlauf so vieler Jahrhunderte diesem Körper sich verbände; zumal die geistige Substanz über die Zeit erhaben ist; — 3. wäre die Verbindung dieses Leibes und dieser Seele ein reiner Zufall; insofern dazu zwei Willen zusammenkommen mußten, der der Seele und der des zeugenden Menschen. Ist aber die Seele gegen ihren Willen und gegen ihre Natur im Körper, so ist dies der Fall auf Grund eines Zwanges; und dann wäre dies ein Unglück für sie und eine Strafe, was die irrtümliche Meinung des Origenes ist, wie Epiphanius berichtet. (2. cont. haer. 64.) Also sind die Seelen geschaffen zugleich mit dem Körper.
c) I. Gott hat aufgehört, neue Arten und Gattungen zu schaffen; aber nicht, zu wirken für die Erhaltung der geschaffenen. Demgemäß heißt es Joh. 5, 17.: „Mein Vater wirkt auch jetzt noch.“ Die menschlichen Seelen also, welche jetzt geschaffen werden, existierten im Anfange gemäß der Ähnlichkeit der Gattung, als Adam geschaffen wurde. II. Soweit es die Zahl der Einzeldinge anbelangt, kann etwas zur Vollendung des All hinzugefügt werden; nicht aber soweit es die Zahl der Gattungen angeht. III. Daß die Seele bestehen bleibt ohne Körper, geschieht dem Vergehen des Körpers zufolge und dieses ist eine Folge der Sünde. Deshalb geziemte es sich nicht, daß damit das Werk Gottes beginne; denn es steht geschrieben Sap. 1, 13.: „Gott hat den Tod nicht gemacht ... die Gottlosen haben ihn mit Händen (Werken) und mit Worten herbeigeholt.“
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