Dritter Artikel. Die Seligkeit des Menschen besteht nicht im Rufe oder im Ruhme.
a) Das Gegenteil geht aus folgenden Gründen hervor: I. Darin scheint die Seligkeit zu bestehen, was den Heiligen verliehen wird für die Trübsale, die sie in dieser Welt leiden. Das ist aber der Ruhm, wie Röm. 8. es heißt: „Es halten keinen Vergleich aus die Leiden dieser Zeit mit dem künftigen Ruhme, der in uns wird enthüllt werden.“ Also ist der Ruhm die Seligkeit. II. „Dem Guten kommt es zu, sich zu verbreiten,“ heißt es bei Dionysius. (4. de div. nom.) Durch den Ruhm aber wird, was der Mensch Gutes hat, im höchsten Grade verbreitet; denn „der Ruhm ist“, wie Ambrosius sagt, „glanzvolle Bekanntheit, welche zum Lobe gereicht.“ Also ist die Seligkeit nichts Anderes wie der Ruhm. III. Die Seligkeit ist das beständigste unter allen Gütern; denn dadurch erlangen die Menschen gleichsam Ewigkeit. „Unsterblichkeit aber bereitet ihr euch,“ sagt Boëtius (2. de Consol.), „gewissermaßen, wenn ihr an den Ruf denket, den ihr in Zukunft haben könnt.“ Auf der anderen Seite ist die Seligkeit das wahre Gut des Menschen. Der Ruf oder der Ruhm aber ist oft falsch, wie Boëtius (3. de Consol.) sagt: „So manche haben einen großen Namen gewonnen auf Grund der falschen Ansichten der Menge. Was ist schändlicher? Denn wer fälschlicherweise gepriesen wird, der muß vor seinem eigenen Lobe erröten.“
b) Ich antworte, unmöglich könne des Menschen Seligkeit im Ruhme bestehen. Denn Ruhm ist nichts Anderes, wie oben Ambrosius sagt, als „glanzvolle Bekanntheit, die zum Lobe gereicht“. Ein Erkenntnisgegenstand aber verhält sich anders zur göttlichen Kenntnis und anders zur menschlichen. Die menschliche Kenntnis nämlich wird verursacht von den erkannten Dingen; die göttliche aber ist die Ursache der erkannten Dinge. Die Vollendung des menschlichen Wohles also kann nicht verursacht werden von der menschlichen Kenntnis; vielmehr geht die letztere von der bereits vorhandenen Vollendung aus und wird gewissermaßen verursacht von der menschlichen Seligkeit, mag diese erst im Beginne sein oder bereits vollendet. Also im Ruhme oder im Rufe kann des Menschen Seligkeit nicht bestehen. Des Menschen Wohl aber hängt ab wie von seiner Ursache von derKenntnis Gottes. Und deshalb hängt ab von dem Ruhme, der bei Gott ist, die Seligkeit des Menschen wie von der Ursache, wie es im Psalm 90 heißt: „Ich will ihn erretten und ihn mit Ruhm krönen: mit der Länge seiner Tage will ich ihn anfüllen und zeigen werde ich ihm mein Heil.“ Dabei ist zugleich zu berücksichtigen, daß die Kenntnis der Menschen oft als falsch bezeichnet werden muß; und zwar zumal was das einzeln Zufällige anbetrifft, wozu die menschlichen Handlungen gehören. Deshalb ist auch häufig der Ruhm bei den Menschen ein auf Täuschung beruhender. Gott aber kann nicht getäuscht werden und ist darum der Ruhm, den man bei Ihm hat, immer ein wahrer; wie der Apostel sagt (2. Kor. 10.): „Jener ist erprobt, den Gott empfiehlt.“
c) I. Der Apostel spricht da vom Ruhme und der Herrlichkeit, die von Gott kommt; nicht von menschlicher. Deshalb sagt der Herr bei Mark. 8, 38.: „Der Sohn des Menschen wird ihn bekennen im Ruhmesglanze des Vaters vor seinen Engeln.“ II. Entweder ist der Ruf oder der Ruhm bei den Menschen ein wahrer; — und dann muß er sich ableiten von dem Guten, was bereits im Menschen vorhanden ist, setzt also die vollkommene oder begonnene Seligkeit voraus. Ist aber dieser Ruhm ein falscher, so entspricht er nicht der wirklichen Sachlage; — und so hat dann der Mensch nicht das Gut, ob dessen er gefeiert wird. III. Der Ruf hat keine Beständigkeit,ganz im Gegenteil wird er durch Ausstreuungen falscher Gerüchte leicht verloren. Beharrt er manchmal, so beruht das nicht auf ihm selber, sondern auf äußeren Gründen. Die Seligkeit aber hat Beständigkeit aus sich heraus und für immer.
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