Fünfter Artikel. Auch die Thätigkeit des Willens kann eine anbefohlene sein.
a) Dementgegen sagt: I. Augustin (8 Conf. 9.): „Die Seele befiehlt, daß die Seele wolle; und trotzdem thut sie es nicht.“ Wollen aber ist eine Thätigkeit des Willens. Also wird dieselbe nicht befohlen. II. Dem befiehlt man, der den Befehl zu verstehen vermag. DemWillen aber ist es nicht eigen, den Befehl zu verstehen; denn er ist verschieden von der Vernunft. Also. III. Wird einmal ein Willensakt befohlen, so aus demselben Grunde jeder. In diesem Falle aber geht es ins Endlose; denn der befehlende Vernunftakt setzt voraus die Thätigkeit des Willens und diese wäre dann wieder befohlen durch die Vernunft u. s. w. Auf der anderen Seite unterliegt unserem Befehlen, was in unserer Gewalt ist. Die Thätigkeit des Willens aber ist im höchsten Grade in unserer Gewalt; denn all unsere Thätigkeit steht insoweit in unserer Gewalt als sie eine freiwillige ist. Also unterliegt die Willensthätigkeit dem Befehlen.
b) Ich antworte; Befehlen sei nichts Anderes als die Thätigkeit der ordnenden Vernunft verbunden mit einer Hinbewegung zu dem, was gewirkt werden soll. Offenbar aber kann die Vernunft die Beziehungen der Willensthätigleit ordnen; denn wie sie urteilen kann, daß es gut sei, etwas zu wollen, so kann sie anordnen und befehlen, daß der Mensch will.
c) I. Augustin sagt an der nämlichen Stelle: „Wenn die Seele sich selber in vollkommener Weise befiehlt, daß sie wolle; dann will sie bereits.“ Daß sie also bisweilen befiehlt und nicht will, das trifft sich deshalb, weil sie nur unvollkommen befiehlt. Und das tritt dann ein, wenn die Vernunft von verschiedenen Seiten her zum Befehlen oder zum Nichtbefehlen bestimmt wird und somit nicht recht selber weiß, soll sie befehlen oder nicht. II. Wie schon jedes körperliche Glied nicht für sich allein thätig ist, sondern für den ganzen Körper, wie z. B. das Auge für den ganzen Körper sieht, so verhält es sich auch mit den Fähigkeiten der Seele. Die Vernunft versteht nicht für sich allein, sondern für alle Vermögen; und der Wille will nicht für sich allein, sondern für alle Vermögen. Deshalb also befiehlt der Mensch sich selbst den Willensakt, insofern er vernünftig erkennend und wollend ist. III. Jene Thätigkeit wird befohlen, welche der Bestimmung der Vernunft unterliegt. Der erste Willensakt aber ist nicht aus der Anordnung der Vernunft, sondern aus dem Antriebe der Natur oder aus einer höheren Ursache; cf. Kap. 9, Art. 4.
