Vierter Artikel. Der Befehl und die befohlene Thätigkeit ist ein einziger Akt.
a) Es scheint, daß dies zwei verschiedene Thätigkeiten sind. Denn: I. Verschiedenen Vermögen entsprechen verschiedene Thätigkeiten. Ein anderes Vermögen ist aber jenes, welches befiehlt; und ein anderes jenes, dem befohlen wird. Also. II. Manchmal geht wohl das Befehlen voran; aber es folgt nicht der befohlene Akt. Eine solche Trennung könnte aber nicht statthaben, wenn Beides ein einziger Akt wäre; denn nichts wird von sich selber getrennt. III. Das Befehlen geht seiner Natur nach der befohlenen Thätigkeit voran. Also handelt es sich da um verschiedene Thätigkeiten. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (3 Top. 2.): „Wo das Eine ist um des Anderen willen, da ist nur Eines.“ Die befohlene Thätigkeit aber ist auf Grund und wegen des Befehls. Also ist Beides nur eine Thätigkeit.
b) Ich antworte, nichts stehe dem entgegen, daß manche Dinge nach einer gewissen Seite hin eine Vielheit sind und nach einer anderen Seite hin eine Einheit. Vielmehr sagt Dionysius, daß alle Vielheiten unter irgendwelcher Beziehung eine gewisse Einheit sind. (Cap. ult. de div. nom.) Dabei ist jedoch ein Unterschied zu betonen. Denn Manches ist an und für sich eine Vielheit und nur unter einem gewissen Gesichtspunkte etwas Einiges; bei manchem aber verhält es sich umgekehrt. Die Einheit wird nun in eben dem Sinne ausgesagt wie auch das Sein; so daß in der nämlichen Weise wie ein Ding Sein hat, es auch ein einiges ist. Nun ist aber etwas an und für sich oder hat ohne weitere Bedingung Sein kraft der Substanz; und was zur Substanz hinzukommt, das ist nur unter Beziehung auf die Substanz und auf Grund derselben;— also nur unter gewisser Voraussetzung hat es Sein, es ist Accidens oder reines Vernunftding. Was sonach der Substanz gemäß eines ist, das hat Einheit an und für sich, einfach d. h. ohne weitere Voraussetzung. Von ihm wird die Einheit ausgesagt in absoluter Weise; die Vielheit dagegen nur unter gewissen Beziehungen. So z. B. ist das, was der Substanz nach ein aus Teilen zusammengesetztes Ganze ist, eine Einheit ohne weitereVoraussetzung, einfach und schlechthin; denn das Ganze ist, d. h. hat Sein und ist eine Substanz. Die Teile aber haben Sein und Subsistenz im und kraft des Ganzen. Umgekehrt aber sind Dinge, welche der Substanz nach verschieden sind und unter einer gewissen Beziehung eine Einheit bilden, ohne weitere Voraussetzung, einfach und schlechthin verschieden, und sind etwas Eines nur nach einer gewissen Seite hin. So z. B. sind viele Menschen ein Volk; und viele Steine sind ein Steinhaufen, mag diese Einheit in dem reinen Zusammenfinden bestehen oder in geordneter Beziehung. Ähnlich sind auch viele Einzeldinge, welche ein und derselben Art und Gattung angehören eins mit Rücksicht auf Art und Gattung; sie sind verschiedene, schlechthin und ohne weitere Voraussetzung (simpliciter), nach der Substanz. Denn eins sein nach Art und Gattung will heißen eine Einheit haben unter dem Gesichtspunkte der Vernunft. Wie nun aber im Bereiche der Natur ein Ganzes zusammengesetzt wird aus Stoff und Form, aus dem bestimmbaren Elemente nämlich und dem bestimmenden, wie z. B. aus Leib und Seele der Mensch besteht, der doch ein natürliches Ganze ist, obgleich er Teile hat; so verhält sich auch im Bereiche der menschlichen Thätigkeiten das niedrige Vermögen als bestimmbares Element zum höheren als dem bestimmenden, insofern das niedrige Vermögen thätig ist kraft des höheren, von seiten dessen es in Thätigkeit gesetzt wird. So verhält sich ja auch der Erstbewegende wie das bestimmende Element zur Thätigkeit des Werkzeuges. Somit ist klar, daß der Befehl und die befohlene Thätigkeit ein einziger menschlicher Akt ist; wie ein Ganzes an und für sich einfach und schlechthin Eines ist und doch wenn die Teile in Betracht kommen, unter dieser Rücksicht eine Vielheit.
c) I. Wenn die betreffenden Vermögen keine geregelte Beziehung zu einander hätten in der Weise des bestimmbaren und bestimmenden Elementes, so wären die Thätigkeiten von vornherein und ohne weiteres verschieden. Wann aber ein Vermögen das andere in Thätigkeit setzt, dann ist deren Thätigkeit eine einige; wie was bewegt und was in Bewegung ist insoweit eine einige Thätigkeit ist. (3 Physic.) II. Das Befehlen und die befohlene Thätigkeit sind allerdings voneinander trennbar; aber daraus geht nur hervor, daß sie den Teilen nach eine Vielheit bilden. Auch die Teile des Menschen können ja voneinander getrennt werden und sind doch ein und derselbe Mensch dem Ganzen nach. III. So oft etwas eine Vielheit von Teilen in sich schließt, da kann das Eine früher sein wie das Andere oder wie das Ganze; wie ja auch die Seele gewissermaßen früher (der Natur nach) ist wie der Leib und das Herz früher wie die übrigen Glieder.
