Achter Artikel. Die Thätigkeit der pflanzlichen Seele ist keine anbefohlene.
a) Das Gegenteil wird folgendermaßen erhärtet: I. Die sinnlichen Kräfte stehen höher wie die pflanzlichen. Jene aber unterstehen dem Anordnen der Vernunft, also auch diese. II. Der Mensch wird als die Welt im kleinen bezeichnet, weil so seine Seele im Körper ist wie Gott in der Welt. Gott aber ist so in der Welt, daß Alles in der Welt Ihm gehorcht. Also gehorchen auch alle Kräfte im Menschen, selbst die der pflanzlichen Seele entsprechenden, der Vernunft. III. Lob und Tadel wird nur solcher Thätigkeit gespendet, welche der Anordnung der Vernunft unterliegt. Thätigkeiten aber, welche der Pftanzenseele entsprechen, verdienen Lob oder Tadel; wie die Gaumenlust oder die Unzucht und die gegenteiligen Tugenden, welche vom Nahrungs- und Fortpflanzungsvermögen ausgehen. Also pflanzliche Kräfte gehorchen der Vernunft. Auf der anderen Seite sagt Gregor von Nyssa (l. c. 22.): „Das Nähr- und Fortpflanzungsvermögen ist der Überredung seitens der Vernunft unzugänglich.“
b) Ich antworte, daß von den menschlichen Thätigkeiten einige von der naturnotwendigen Hinneigung ausgehen; und einige vom sinnlichen oder vernünftigen Begehrungsvermögen. Da nun die naturnotwendige Hinneigung von keinerlei Auffassung im Menschen abhängt wie dies der Fall ist bei der sinnlichen und vernünftigen, welche der Auffassung der Sinne oder der Vernunft folgt, die Vernunft aber nur befiehlt vermittelst einer auffassenden Kraft; — so können wohljene Thätigkeiten, welche vom sinnlichen oder vernünftigen Begehren ausgehen, vermittelst der Vernunft anbefohlen werden; nicht aber jene, welche der naturnotwendigen Hinneigung folgen, wie es jene sind, welche der Pflanzenseele entsprechen; und diese begreift Gregor von Nyssa unter dem Nähr- und Fortpflanzungsvermögen (nutritivum et generativum).
c) I. Je unstofflicher eine Thätigkeit ist, desto höher steht sie und desto mehr ist sie der Vernunft und deren Gebote unterworfen. Darum also eben, weil die Kräfte der Pflanzenthätigkeit im Menschen der Vernunft nicht unterstehen, ist es schon klar, daß dieselben am tiefsten stehen. II. Wie Gott die Welt bewegt, so bewegt etwa die Seele den Leib. Die Ähnlichkeit aber hält nicht Stand mit Rücksicht auf Alles. Denn die Seele hat den Leib nicht aus Nichts geschaffen, wie Gott die Welt, die deshalb auch ganz und gar seinem Gebote untersteht. III. Das betreffende Loben oder Tadeln kommt nicht den Thätigkeiten der Pflanzenseele zu, der Verdauung also und der Bildung des menschlichen Leibes; sondern den Thätigkeiten des sinnlichen Teiles, die auf die Thätigkeiten des Nähr- und Fortpflanzungsvermögens geregelte Beziehung haben; also z. B. dem Begehren nach Speise und Trank und dem Ergötzen daran, soweit dies gebührend geregelt ist oder nicht.
