6.
Vier Jahre nach der Gründung des Klosters oder, wie mir scheint, noch etwas später, besuchte mich ein Franziskanermönch, mit Namen Alfons Maldonado, ein vortrefflicher Diener Gottes, der von demselben Verlangen nach dem Heile der Seelen erfüllt war wie ich. Da er sein Verlangen verwirklichen konnte, beneidete ich ihn gar sehr. Dieser Pater war vor kurzem aus Westindien gekommen und erzählte mir, wie viele Millionen Seelen dort aus Mangel an christlichem Unterricht verlorengehen. In einer Predigt, die er uns hielt, ermahnte er uns zur Buße und zog wieder weiter. Der Verlust so vieler Seelen hatte mich mit so tiefem Schmerz erfüllt, daß ich mich nicht mehr halten konnte. Ich begab mich in eine Einsiedelei, rief mit vielen Tränen zu Gott und bat ihn, mir doch Mittel und Wege zu schaffen, um wenigstens eine Seele für seinen Dienst zu gewinnen, da doch der böse Feind so viele nach sich ziehe; ich flehte zu ihm, er möchte doch meine Gebete wirksam werden lassen, da ich sonst zu nichts tauge. Ich beneidete jene sehr, die sich aus Liebe zu unserem Herrn unter tausend Todesgefahren dem Werke der Glaubensverkündigung widmen konnten. Wenn ich daher in den Lebensgeschichten der Heiligen lese, daß sie Seelen für Gott gewonnen haben, so erweckt das in mir größere Andacht und Vorliebe zu ihnen, und ich beneide sie darum mehr als um alle Martern, die sie gelitten haben; denn gerade diese Neigung hat mir der Herr eingeflößt. Es scheint mir nämlich, daß Gott den Gewinn einer einzigen Seele, die wir mittels seiner Barmherzigkeit durch unser Gebet und unseren Opfersinn retten, weit höher schätzt, als alle übrigen Dienste, die wir ihm sonst leisten können.
