Ermahnungen der heiligen Mutter Theresia an ihre Nonnen
Die Erde, die nicht bearbeitet wird, bringt nur Disteln und Dornen hervor, sollte sie auch fruchtbar sein; in gleicher Weise verhält es sich auch mit der Seele des Menschen.
Von allen geistlichen Personen, wie von Ordensleuten, Priestern und Einsiedlern, sprich nur Gutes!
Wenn du unter vielen bist, so rede stets nur wenig!
Sei bescheiden in allem, was du tust und redest!
Sei nie allzu hartnäckig, zumal in Dingen, an denen wenig gelegen ist!
Rede mit allen in gemäßigter Frömmigkeit!
Spotte nie über etwas!
Weise niemanden zurecht ohne Bescheidenheit, Demut und eigene Betretenheit!
Richte dich nach der Stimmung dessen, mit dem du umgehst; sei fröhlich mit den Fröhlichen, traurig mit den Traurigen; kurz: Werde allen alles, um alle zu gewinnen!
Rede nie etwas, ohne es vorher wohl überlegt und unserem Herrn angelegentlich empfohlen zu haben, damit du niemals etwas sprichst, was ihm mißfällt!
Entschuldige dich nie, wenn du nicht einen sehr triftigen Grund hast!
Sprich nie etwas zu deinem Lobe, z. B. von deinem Wissen, von deiner Tugend, von deiner Herkunft, außer du habest Hoffnung, daß es zum Guten diene; dann geschehe es aber mit Demut und mit der Erinnerung, daß es Gaben Gottes sind!
Rede von keiner Sache mit Übertreibung, sondern sage deine Ansicht mit Mäßigung!
Allen deinen Gesprächen und Unterhaltungen mische immer etwas Geistliches bei; dadurch werden mäßige Worte und üble Nachreden vermieden!
Behaupte nie etwas, was du nicht weißt!
Dränge dich in keiner Sache mit deiner Ansicht vor, wenn du nicht darum gefragt wirst, oder wenn es nicht die Liebe fordert!
Spricht jemand von geistlichen Dingen, so höre in Demut zu wie ein Schüler und nimm das Gute, das einer sagt, zu deiner Belehrung hin!
Deinem Obern und Beichtvater entdecke alle deine Versuchungen, Unvollkommenheiten und Kämpfe, damit er dir Rat und Mittel angebe, wie du sie überwinden kannst!
Halte dich nicht außer deiner Zelle auf und gehe nicht aus ihr ohne Ursache; wenn du aber hinausgehst, so bitte Gott um seinen Beistand, daß du ihn nicht beleidigen mögest!
Iß und trink nur zu den gewöhnlichen Stunden — und da mit innigem Dank gegen Gott!
Verrichte alles so, als sähest du die göttliche Majestät wahrhaft vor dir gegenwärtig! Auf diese Weise gewinnt eine Seele viel.
Über niemand, außer über dich selbst, höre oder rede etwas Böses! Kannst du dich der üblen Rede über dich freuen, so machst du gute Fortschritte.
Jedes Werk, das du tust, richte auf Gott, opfere es ihm auf und bitte ihn, daß es zu seiner Ehre und Verherrlichung gereichen möge.
Bist du fröhlich, so überlasse dich nicht übermäßigem Lachen; deine Freude sei demütig, bescheiden, anmutig und erbauend.
Betrachte dich immer als die Dienerin aller, und in allem blicke auf Christus, unsern Herrn! Dann wirst du Achtung und Ehrfurcht vor allen haben.
Zur Erfüllung des Gehorsams sei immer so bereit, als ob Christus selbst durch deinen Prior oder Vorgesetzten dir befohlen hätte.
Bei jedem Werke und zu jeder Stunde erforsche dein Gewissen! Bemerkst du Fehler, so suche sie mit der Gnade Gottes zu bessern! Auf diese Weise wirst du die Vollkommenheit erreichen.
Denke nicht an die Fehler anderer, sondern an ihre Tugenden und an deine eigenen Fehler!
Habe immer ein großes Verlangen, in allem und bei Jeder Gelegenheit etwas um Christi willen zu leiden!
Jeden Tag opfere dich Gott fünfzigmal auf, und zwar mit großem Eifer und feurigem Verlangen nach Gott!
Was du am Morgen betrachtest, das halte dir den ganzen Tag über gegenwärtig; verwende darauf allen Eifer; denn dadurch machst du große Fortschritte!
Bewahre sorgfältig die Gefühle, die der Herr dir mitteilt; und die (frommen) Anregungen, die er dir in der Betrachtung eingibt, setze ins Werk!
Vermeide stets soviel wie möglich die Sonderheit; denn in einer (geistlichen) Gemeinde ist sie ein großes Übel!
Die Vorschriften und die Regel deines Ordens lies oft und halte sie gewissenhaft!
In jedem Geschöpfe betrachte die Vorsehung und Weisheit Gottes; ihn preise in allen Dingen!
Mache dein Herz los von allen Dingen, suche Gott und du wirst ihn finden!
- Zeige nie in deinem Äußeren eine Andacht, die du nie in deinem Inneren empfindest; deine Unandacht aber darfst du wohl verbergen!
Offenbare nie deine innere Andacht ohne große Notwendigkeit! Mein Geheimnis ist für mich! sagen der heilige Franziskus und der heilige Bernhard.
Über die Speisen, seien sie nun gut oder schlecht bereitet, beklage dich nicht; denke vielmehr an die Galle und den Essig, die man Jesus Christus reichte!
Bei Tisch rede mit niemand und erhebe deine Augen nicht, um andere anzusehen!
Betrachte die himmlische Tafel, bei der Gott die Speise und die heiligen Engel die Gäste sind; zu dieser Tafel erhebe die Augen mit dem Verlangen, dabei zu sein!
Vor deinen Oberen, in denen du Jesus Christus schauen sollst, rede immer nur das Notwendige und dies mit großer Ehrerbietung!
Man soll nie etwas tun, was man nicht vor jedermann tun könnte.
Vergleiche keinen mit einem anderen; denn dies ist eine gehässige Sache!
Wirst du über etwas zurechtgewiesen, so nimm es mit innerlicher und äußerlicher Demut an und bitte Gott für den, der dich zurechtgewiesen!
Wenn dir ein Oberer etwas befiehlt, so sage nicht, ein anderer habe dir das Gegenteil aufgetragen, sondern denke, alle Oberen haben heilige Zwecke im Auge, und verrichte gehorsam, was man dir befiehlt!
Was dich nicht angeht, davon rede und darnach frage nicht vorwitzig!
Vergegenwärtige dir dein vergangenes Leben, um es zu beweinen! Denke an deine gegenwärtige Lauheit und wieviel dir noch fehlt, um von hier in den Himmel zu kommen, damit du in Furcht lebest! Dadurch wirst du große Güter erlangen!
Tue immer, was deine Hausgenossen dir sagen, wenn es nicht wider den Gehorsam ist, und antworte ihnen mit Demut und Freundlichkeit!
Begehre nie etwas Besonderes, weder in der Nahrung noch in der Kleidung, wenn nicht eine große Not dich drängt!
Lasse nicht ab, dich bis zum Tod zu demütigen und abzutöten in allen Dingen!
Erwecke recht oft Akte der Liebe; denn sie entzünden und erweichen die Seele!
Auch Akte der übrigen Tugenden sollst du erwecken!
Opfere dem ewigen Vater alles auf in Vereinigung mit den Verdiensten seines Sohnes Jesus Christus!
Sei mild gegen alle, gegen dich aber streng!
An den Festtagen der Heiligen betrachte ihre Tugenden und bitte den Herrn, daß er sie dir verleihe!
Die abendliche Gewissenserforschung verrichte mit großer Sorgfalt!
An Kommuniontagen betrachte (des Morgens), daß du trotz deines Elendes Gott empfangen darfst; beim Abendgebet aber, daß du ihn empfangen hast!
Bist du über andere gesetzt, so weise niemand im Zorne zurecht, sondern erst, wenn der Zorn vorüber ist; so wird die Zurechtweisung nützen!
Strebe eifrig nach der Vollkommenheit und Andacht, und damit verrichte alle deine Werke!
Übe dich ernstlich in der Furcht des Herrn; denn sie macht die Seele zerknirscht und demütig!
Bedenke wohl, wie schnell die Menschen sich ändern und wie wenig man sich auf sie verlassen kann; darum halte dich fest an Gott, der unveränderlich ist!
Berate die Angelegenheiten deiner Seele mit deinem Beichtvater, wenn er gelehrt und im geistlichen Leben erfahren ist; ihm teile sie mit und folge seinem Rate!
Sooft du kommunizierst, erbitte dir irgendeine besondere Gnade von Gott um der großen Barmherzigkeit willen, in der er zu deiner armen Seele gekommen ist!
Wenn du auch viele Heilige zu Fürbittern hast, so verehre doch als solchen ganz besonders den heiligen Joseph; denn er erlangt viel von Gott!
Zur Zeit der Traurigkeit und der Beunruhigung unterlasse nicht deine gewöhnlichen Gebets und Bußübungen! Deshalb sucht dich der böse Feind zu beunruhigen, damit du diese Übungen unterlassest. Verrichte im Gegenteil mehr als sonst, und du wirst sehen, wie schnell der Herr dir hilft!
Deine Versuchungen und Unvollkommenheiten verbirg vor jenen im Hause, die weniger als du in der Tugend begründet sind, sonst würdest du dir und ihnen schaden; nur mit Vollkommenen rede darüber!
Gedenke, daß du nur eine Seele hast und nur einmal sterben wirst; — daß du nur ein Leben, und zwar ein kurzes, dir selbst eigenes Leben hast, — daß es nur eine, und zwar ewige Glorie gibt! Auf diese Weise wirst du von vielen Dingen lassen.
Dein Verlangen sei, Gott zu schauen, — deine Furcht, ihn zu verlieren, — dein Schmerz, ihn noch nicht zu genießen, — deine Freude, daß er dich zu sich führen kann! Dann wirst du in großem Frieden leben.
