3.
S. 353 Wollen wir aber lieber, da wir im Verlaufe der Rede bei einem oft behandelten Thema angelangt sind, und der Stoff dem gegenwärtigen Feste entspricht und mit ihm verwandt ist, den vorliegenden Gegenstand auf einen entsprechenden Anfang zurückführen und Die zu überzeugen suchen, welche über ganz offenbare Dinge in ungeeigneter Weise zweifeln. Der Schöpfer des Weltalls, da er den Menschen schaffen wollte, setzte ihn nicht als ein verächtliches Wesen, sondern als das geehrteste von allen ins Dasein und machte ihn zum König der ganzen Schöpfung unter dem Himmel. Da er dieß wollte und ihm solche Weisheit und Gottähnlichkeit verlieh und ihn mit hoher Gnade zierte, hat er ihn etwa in dieser Absicht ins Dasein gerufen, daß er nach seiner Geburt verderbe und dem gänzlichen Untergange preisgegeben werde? Gewiß ein unbedeutendes Ziel, und sehr unwürdig ist es, einen solchen Gedanken Gott zuzuschreiben! Denn in dieser Weise wird er Kindern gleich gesetzt, die schnell einen Bau aufführen und schnell wieder zerstören, da ihre Gedanken auf kein nützliches Ziel gerichtet sind. Wir haben aber gerade das Gegentheil gehört, daß er den ersten Erschaffenen mit Unsterblichkeit schuf; als aber dann die Übertretung und Sünde geschah, er zur Strafe der Sünde ihn der Unsterblichkeit beraubte. Hierauf strömte die Quelle der Güte über von Menschenliebe, und zum Werke ihrer eigenen Hände sich beugend, schmückte sie es mit Weisheit und Einsicht, da sie beschloß, uns im alten Zustande wieder zu erneuern. Das entspricht auch der Wahrheit und ist der Vorstellung von Gott würdig. Denn es bezeugt ausser seiner Güte auch seine Macht. Aber sich gleichgiltig und hart gegen Das zu verhalten, was uns unterworfen und unserer Hut anvertraut ist, kommt nicht einmal hochherzigen und guten Menschen zu. In dieser Weise will der Schafhirt, daß seine Heerde in gesundem Zustande sich befinde und fast unsterblich sei; der Rinderhirt sorgt für das Gedeihen der Rinder durch vielfache Bemühungen, und der Ziegenhirt wünscht, daß die Ziegen immer zwei Junge zur Welt bringen, und es wünscht überhaupt jeder Heerdenbesitzer, S. 354 daß die Heerde ihm in blühendem Zustand erhalten bleibe, und verfolgt dabei irgend einen nützlichen Zweck. Da nun Dieß sich so verhält, und in Dem, was wir soeben gesagt haben, der Beweis geliefert ist, daß es für den Schöpfer und Baumeister unseres Geschlechtes sich am Meisten gezieme, das verweste Geschöpf wieder neu zu bilden, so ist es offenbar, daß Die, welche Das, was daraus folgt, nicht glauben, aus keinem anderen Grunde dagegen kämpfen, als weil sie glauben, daß es für Gott unmöglich sei, das Todte und Zerfallene wieder zu erwecken. Fürwahr ist es die Denkweise von gefühllosen Leichen, bei Gott an Ohnmacht und Unmöglichkeit zu denken und seine eigene Schwachheit auf die allmächtige Herrlichkeit überzutragen. Damit wir über ihren Unverstand mit überführenden Reden züchtigen, soll aus der Vergangenheit und Gegenwart die Zukunft nachgewiesen werden, an die sie nicht glauben. Du hast gehört, daß ein Gebilde aus Lehm gemacht wurde und der Mensch entstand. Zeige mir also, ich bitte, der du Alles mit deiner Weisheit umfassen willst, wie der dünne zerstreute Staub sich sammelte, wie die Erde Fleisch wurde, und der nämliche Stoff Knochen, Haut, Fett und Haare bildete, wie, da das Fleisch nur eines ist, die Gattungen, Eigenschaften und die Berührungen der Glieder verschieden sind, wie die Lunge weich zu berühren und von schwarzer Farbe, die Leber fest und roth, das Herz dicht und der härteste Theil im Fleische, die Milz dünn und schwarz, das Gedärmnetz weiß und ein von der Natur zusammengefaltetes Fischernetz ist?
Wollen wir auch Das betrachten, wie das erste Weib aus einem kleinen Theil der Seite ein vollkommenes lebendes Wesen wurde, gleich dem vollendeten ersten, und der Theil zu Allem genügte, und aus dem Wenigen Alles entstand, aus der Seite das Haupt, Hände und Füße, die gewundene und mannigfaltige Bildung der Eingeweide, Fleisch, Haare, Auge, Nase und Mund, und kurz, um nicht die Rede in die Länge zu ziehen, Alles, was S. 355 uns Kleinen wunderbar und ausserordentlich erscheint. Bei Gott aber ist die Erklärung des Baues naheliegend und ganz unbestritten. Wie werden nun Die vernünftig scheinen, welche zugeben, daß aus einer Seite ein Mensch geworden, aber nicht glauben, daß aus der gesammten Masse des Menschen der nämliche neu geschaffen werde? Es ist nicht möglich, ja nicht möglich, durch menschliches Nachdenken die Kraft Gottes auszugrübeln! Denn wenn uns Alles begreiflich wäre, so wäre ja der Bessere nicht besser als wir. Was rede ich von Gott? Nicht einmal mit den unvernünftigen Thieren halten wir in Betreff einiger Kräfte den Vergleich aus, sondern stehen auch ihnen nach. Im Laufe übertreffen uns z. B. die Pferde, die Hunde und viele andere; an Stärke aber die Kameele und Maulesel, an Kenntniß der Wege die Esel, und der scharfe Blick des Rehes findet sich in unsern Augen nicht. Deßhalb kommt es verständigen und weisen Menschen zu, den Worten Gottes zu glauben, nach der Art und Weise und den Ursachen der Wirkungen aber, als unsern Verstand überragend, nicht zu fragen. Denn man kann einem Vorwitzigen sagen: Weise mir nach, wie das Sichtbare Substanz angenommen hat! Sage mir, durch welche Kunst er diese vielgestaltige Arbeit zu Stande gebracht hat. Denn wenn du das entdeckst, findest du es mit Recht sonderbar und bist ungehalten, daß du die Umbildung der Wiedergeburt nicht kennst, da dir doch der Vorgang der Geburt bekannt ist. Wenn aber Jenes für dich ein Traumbild ist, und von allen Seiten dir die Erkenntniß schwierig erscheint, so sei nicht ungehalten, wenn du, da du den Vorgang der Zubereitung nicht kennst, auch die Wiederherstellung des Verwesten nicht begreifst. Der Nämliche ist der Künstler sowohl bei der ersten Schöpfung als auch bei der folgenden Umgestaltung. Er weiß, wie er das eigene Werk, nachdem es der Auflösung anheim gefallen ist, wieder in den alten Zustand zusammenfügen wird. Ist Weisheit nöthig, so ist bei ihm die Quelle der Weisheit; ist Kraft nöthig, so bedarf er keinen Mitarbeiter und Gehilfen. Dieser ist es, der nach dem Ausspruch des S. 356 weisesten Propheten mit der Hand das Wasser mißt, den großen unermeßlichen Himmel umspannt und die Erde mit seiner Hand umfaßt.1 Betrachte die Bilder, welche die Thätigkeit der unaussprechlichen Macht darstellen, und unsere Einsicht zur Verzweiflung bringen, daß wir nichts der Natur Gottes Würdiges uns vorstellen können. Er ist und heißt allmächtig. Wohl wirst du nicht dagegen streiten, sondern du wirst es als ausgemacht bestehen lassen. Für Den, welcher Alles vermag, ist Nichts unausführbar und unmöglich. Du hast viele Unterpfänder des Glaubens, welche dich nöthigen, unseren Worten beizustimmen, zuerst die ganze mannigfaltige und vielfach zusammengesetzte Schöpfung, die deutlicher als jede Predigt ihre Stimme erhebt, daß es ein großer und weiser Künstler ist, der alles Sichtbare gemacht hat; ferner Gott, der für Diese Vorsorge trägt und auf die kleinen Seelen der Ungläubigen von ferne schaut, bekräftigte die Auferstehung der Todten durch die That, indem er viele Leiber der Todten in’s Leben rief. Deßhalb ging Lazarus vier Tage nach seinem Tode aus dem Grabe hervor, und der einzige Sohn der Wittwe wurde seiner Mutter zurückgegeben, von der Todtenbahre und dem Leichengepränge unter die Lebenden zurückgerufen, und so unzählige Andere, die aufzuzählen jetzt zu umständlich wäre.
Was rede ich von Gott und dem Erlöser, da er, damit die Zweifler desto mehr beschämt würden, sogar seinen Dienern, den Aposteln, die Kraft verlieh, die Todten zu erwecken? Der Beweis ist also klar. Warum also belästigt ihr uns in eurer Zanksucht, als ob wir unbeweisbare Ansichten aufstellten? Wie Einer auferweckt wurde, so werden es auch zehn, und wie zehn auch dreihundert, und wie dreihundert so auch eine größere Zahl. Denn der Künstler, der eine Statue hergestellt hat, wird leicht auch unzählige S. 357 verfertigen. Seht ihr nicht bei den Baukünstlern, wie sie von großen und umfangreichen Gebäuden die Grundrisse und Modelle im Voraus bilden? Und das Verhältniß im Kleinen findet ebenso statt in den vielen großen Bauwerken. Groß ist der Himmel, ein Kunstwerk Gottes. Da aber Gott den Menschen zu einem vernünftigen Wesen gemacht hat, damit er durch das Verständniß seiner Werke den weisen und kunstgeübten Schöpfer verherrliche, so kannst du die Kugel des Sternkundigen sehen, die zwar klein ist, aber in der Hand des Verständigen sich so bewegt, wie der Himmel von Gott in Bewegung gesetzt wird, und ein ganz kleiner Körper wird Bild des großen Weltenbaues und durch das Verhältniß im Kleinen wird das Größere und was unsere Empfindung überschreitet, erklärt. Wozu habe ich aber dieß erörtert? Damit du erkennst, daß, wenn du mich auch fragst, wie die Auferstehung der Leiber, die von jeher gewesen sind, vor sich gehen werde, du sogleich die Gegenfrage vernehmen sollst, wie Lazarus nach vier Tagen auferweckt wurde. Denn es ist offenbar, daß der Vernünftige die Überzeugung bei einem in gleicher Weise auch auf Mehrere übertragen wird. Indem du Gott als den Urheber annimmst, so nenne Nichts unmöglich und glaube nicht, daß die Weisheit des Unergründlichen von deiner Einsicht erfaßt werden könne. Denn weder ist für Jenen Etwas unermeßlich, noch kannst du den Unermeßlichen ergründen.
Is. 40, 12. ↩
