6.
Nachdem der Gerechte diese Worte gesprochen hatte, legten die Richter selbst die verstellte und angenommene Freundlichkeit ab. Und sie nannten ihn den ärgsten Frevler gegen die Götter, zudem einen Verächter und Lästerer der Kaiser. Dann spannten sie ihn zuerst auf die Folter und quälten seinen Leib. Er aber blieb, obschon die Henker ihm heftig zusetzten, standhaft und ungebeugt, und sang während der Tortur einen Vers aus den Psalmen: „Ich werde den Herrn preisen zu jeder Zeit. Immer ist sein Lob in meinem Munde.“1 Sie rissen ihm das Fleisch herab, er aber sang, wie wenn ein Anderer die Strafe zu leiden hätte. Auf diese Qual folgte das Gefängniß, und wieder vollzog sich dort ein Wunder am Heiligen. Man hörte bei Nacht Stimmen vieler Sänger, und es erschienen Fackeln und man bemerkte von aussen Glanz wie von einem nächtlichen Feste, so daß selbst der Gefängnißwächter bei dem unerwarteten Anblick und Geräusch in die Zelle stürzte und S. 500 Niemand fand als den Martyrer, der sich ruhig verhielt und die übrigen Gefangenen, welche schliefen.
Als er aber ungeachtet vieler Versuche im Bekenntnisse und in der Gottesfurcht standhaft blieb, erging über ihn der verurtheilende Richterspruch, und indem er zum Feuertode verurtheilt wurde, ging er selbst den schönen und seligen Weg zu Gott; uns aber hat er die Erinnerung an seinen Kampf als Lehre hinterlassen, und er sammelt das Volk, unterweist die Kirche, vertreibt die Dämonen, führt die Engel des Friedens zurück, bittet Gott für uns um das Nützliche, hat diesen Ort zu einer Stätte der Heilung für mannigfaltige Krankheiten, zu einem Hafen für Die, welche von den Trübsalen bestürmt werden, zu einer reichen Vorrathskammer für die Armen, zu einer erträglichen Herberge für die Wanderer, zu einem beständigen Sammelplatze für die Festfeier gemacht. Denn wenn wir auch in jährlichen Festen diesen Tag feiern, so nimmt doch die Menge Derer, welche herbeieilen, kein Ende, und die hieher führende Heerstraße gewährt uns das Bild der Ameisen, indem die Einen herzukommen, die Andern den Kommenden Platz machen.
Wir also, o Seliger, haben uns, da wir durch die Güte des Schöpfers den Kreislauf des Jahres vollendet haben, zu deinem Feste versammelt, als heilige Versammlung von Freunden der Martyrer, den gemeinsamen Herrn anbetend und das Siegesgedächtniß deiner Kämpfe feiernd. Geselle dich aber auch du zu uns, wo du auch sein magst, als Ordner des Festes! Denn da du uns gerufen hast, so rufen auch wir dich. Und magst du in den Höhen des Äthers weilen, oder in irgend einer Gegend des Himmels dich aufhalten, oder in die Chöre der Engel eingereiht an der Seite des Herrn stehen, oder unter den Mächten und Gewalten als treuer Diener anbeten, lege die Geschäfte, die du dort hast, etwas bei Seite und komme zu deinen Verehrern als unsichtbarer Freund. Nimm Kenntniß von Dem, was (im Opfer) vollzogen wird, auf daß du (unsere) Danksagung gegen Gott verdopplest, der dir für ein Leiden S. 501 und für ein frommes Bekenntniß so vielfache Belohnung zu Theil werden ließ. Ja, freue dich über das Blut und den Schmerz des Feuers; denn so viele Menschen du damals zu Zeugen deiner Hinrichtung hattest, so viele hast du jetzt zu Dienern deiner Ehre. Wir bedürfen vieler Wohlthaten, lege Fürbitte für dein Vaterland ein bei dem gemeinsamen König. Denn Vaterland des Martyrers ist das Land seines Leidens, seine Mitbürger und Verwandten sind, die sein Grab bereiteten, es besitzen und verehren. Wir ahnen Trübsale, sehen Gefahren heranrücken, nicht ferne stehen die übermüthigen Scythen, die auf Krieg gegen uns sinnen. Als Streiter kämpfe für uns, als Zeuge sprich für deine Mitknechte ein freimüthiges Wort. Und wenn du auch aus dem Leben geschieden bist, so kennst du doch die Leiden und Bedürfnisse der Menschheit. Bitte um Frieden, damit diese Festversammlungen nicht unterbrochen werden, damit der rasende und gewissenlose Barbar nicht gegen Tempel und Altäre wüthe, damit das Heilige nicht der Unheilige zertrete. Denn wir schreiben dir nicht nur die Wohlthat zu, daß wir von Leiden bewahrt blieben, sondern wir flehen dich auch um Schutz für die Zukunft an. Wenn das Bedürfniß einer kräftigeren Fürbitte eintritt, so versammle die Schaar deiner Brüder im Martyrtode und bete mit ihnen insgesammt. Die Gebete vieler Gerechten mögen die Sünden der Menschen und Völker tilgen. Mahne den Petrus, erwecke den Paulus, ebenso den Johannes, den Gottesgelehrten und geliebten Jünger, daß sie für die Kirchen sorgen, die sie gründeten, für die sie die Ketten trugen, für die sie sich den Gefahren und dem Tode preisgaben, daß nicht der Götzendienst gegen uns sein Haupt erhebe, daß nicht Häresien wie Dornen am Weinstock aufsprossen, daß nicht emporkeimendes Unkraut den Weizen ersticke, daß nicht irgend ein Fels in uns erscheine, welcher der Fettigkeit des wahren Thaues entbehrt und die Kraft der Fruchtbarkeit der Rede ohne Wurzel erscheinen läßt, sondern daß durch die Kraft deiner Fürbitte und der Fürbitte der Deinigen, o bewundernswerther, vor allen andern hervorstrahlender S. 502 Martyrer, die Christengemeinde als ein Saatfeld erscheint, das bis ans Ende besteht und in dem fetten und fruchtbaren Felde des Glaubens an Christus immer die Frucht des ewigen Lebens in Christus unserm Herrn hervorbringt, mit dem zugleich dem Vater und dem heiligen Geiste Ehre, Macht und Ruhm sei jetzt und allzeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.VII. Rede über das Leben des heiligen Gregor des Wunderthäters.
Ebd. [Ps.] 33, 2 [hebr. Ps. 34, 2]. ↩
