5. Gregor als Papst
Das Jahr 589 war ein Schreckens- und Unglücksjahr für das Reich und für Rom. Im Osten wurde das kaiser- S. 25 liche Heer von den Persern geschlagen. Slaven drangen in Thrazien ein, Antiochien wurde durch ein Erdbeben großenteils in Trümmer gelegt, wobei 60 000 Menschen den Tod fanden. In Italien wüteten unerhörte Regengüsse und verursachten Überschwemmungen. Die Etsch überflutete das Ufer so hoch, daß die Kirche von St. Zeno in Verona bis zum Dache unter Wasser stand. In Rom verließ der Tiber sein Bett und bedeckte das Marsfeld; zahlreiche Gebäude fielen den Fluten zum Opfer, besonders die Kornspeicher, die dem Ufer entlang standen. Zu alledem kam von Ägypten her die Beulenpest und forderte in den ohnehin schwer heimgesuchten Gegenden viele Opfer. In Rom war es nicht mehr möglich, die Toten zu beerdigen; Nacht für Nacht führte man sie wagenweise vor die Stadt und lud sie vor den Mauern ab. Unter diesem Elend wurde auch Papst Pelagius von der Krankheit ergriffen und starb am 8. Februar 590. Klerus und Volk wählten Gregor zu seinem Nachfolger. Dieser aber schrak vor dem Amte zurück und schrieb an den Kaiser, der die Wahl zu bestätigen hatte, er solle seine Zustimmung versagen. Der Stadtpräfekt Germanus hielt jedoch den Brief ohne Wissen Gregors zurück und sandte das Wahldokument zur Bestätigung nach Konstantinopel. Unterdessen versah Gregor mit dem Archipresbyter, dem Archidiakon und dem Primicerius notariorum die notwendigen Geschäfte des päpstlichen Stuhles. Da die Pest noch immer wütete, hielt Gregor in der Laterankirche eine Predigt, um das Volk zur Buße zu ermahnen, und ordnete eine große, siebenfache Bittprozession an, wie der Diakon Agilulf von Tours, der damals in Rom weilte, an seinen Bischof Gregor berichtete. 1 Am frühen Morgen des 25. April zogen sieben Prozessionen, nach Ständen getrennt, von sieben Kirchen aus nach S. Maria Maggiore auf den Esquilin, um von Gott die Abwendung der Geißel zu erflehen. Die Legende erzählt als äußeres Zeichen der Erhörung, daß man während des Bittganges nach St. Peter sah, wie über dem Grabmal Hadrians der hl. Erzengel Michael sein flammendes Schwert in die Scheide steckte. 2
S. 26 Während die Pest nach und nach erlosch, wartete Gregor auf die Antwort aus Konstantinopel. Gegen Ende des Monats August traf die Bestätigung der Wahl ein. Gregor war förmlich bestürzt und dachte daran, sich der Papstweihe durch die Flucht zu entziehen. Gregor von Tours berichtet, daß Gregor während der Vorbereitung zur Flucht überrascht und nach St. Peter geführt worden sei. 3 Gregor selbst sagt in dem Begleitbrief zur Pastoralregel: „Pastoralis curae me pondera fugere delitescendo voluisse, benigna, frater carissime, atque humili intentione reprehendis. 4 Gregor gab das Widerstreben auf und wurde am 3. September 590 zum Papste konsekriert. Er habe, schreibt er gleich darauf an den Patriarchen Johannes von Konstantinopel, als ein unwürdiger und kranker Mann die Leitung des alten und stark beschädigten Schiffes übernehmen müssen. 5
Wie aber nun Gregor regierte, erregt unser Staunen und unsere Bewunderung. Er entfaltete eine Tatkraft, die an alle Bedürfnisse und Bedrängnisse der Zeit herantrat, sich aller Not annehmend, nur immer helfen und retten wollte, die alles überschaute und mit zähester Energie zu beeinflussen verstand; er war ein klarer, juristisch denkender Mann, der schnell und immer die geeigneten Wege zeigte und der die Gewohnheit besaß, die Gedanken und Entschlüsse sofort niederzuschreiben oder zu diktieren. Er blieb, als er in den Lateranpalast übersiedelte, der einfache Mönch und wollte hier, wie in Konstantinopel, das klösterliche Leben weiterführen. Er schaffte darum die weltliche Dienerschaft ab und umgab sich mit Klerikern und Brüdern. Zu seiner nächsten Umgebung zählten der Diakon Petrus, der Notar und Stenograph Aemilianus, der Defensor oder rechtskundige Verwalter Johannes, Maximianus, Bischof von Syrakus, Augustinus, Prior von St. Andreas, und unter anderen noch Claudius, nachmals Abt in Classis.
Wenn eine gedrängte Übersicht über die päpstliche Wirksamkeit Gregors gegeben werden soll, so ist wegen der vielfältigen und verschiedensten Angelegenheiten, S. 27 die nebeneinander den Geist Gregors beschäftigten, eine chronologische Aufzählung weder möglich noch statthaft; darum sollen die einzelnen Gebiete für sich kurz zusammengefaßt werden.